: In den Sand gesetzt
Die VolleyballerInnen befinden sich im akuten Strandfieber ■ Von Jörg Winterfeldt
Berlin (taz) – Als die Firmenmächtigen des Lebensmittelkonzerns Unilever in Deutschland unlängst die ARD-Tagesthemen verfolgten, leuchteten ihre Augen. Zwei Minuten Sendezeit vom Volleyball-Beach-Masters-Turnier aus Berlin zur wöchentlichen Prime-Time im öffentlich-rechtlichen Fernsehen! Die Erfüllung aller Marketingsehnsüchte des Konzerns, der mit seiner eisigen Aufgußgetränkemarke („Liptonice- Tee“) erstmals die komplette Beach-Volleyball-Serie in Deutschland sponsert.
Mit Werbeinvestitionen von etwa einer halben Million Mark verhilft der Eisteeproduzent dem Sandkastenspiel in Deutschland zum Durchbruch: Die Beach-Masters-Tour mit acht Veranstaltungen (Budget pro Turnier etwa 80.000 Mark, hälftig finanziert von Liptonice) sowie die niedriger dotierten Beach-Cups (Budget um 15.000 Mark) winken 1994 mit soviel Preisgeld wie noch nie – insgesamt um 200.000 Mark.
Die Volleyball-Bundesligisten, die gerne selbst eine Beach-Saison organisiert hätten, dabei aber scheiterten, betrachten die Entwicklung nicht ohne Neid, „weil da“, so Münsters USC-Manager Schulz, „kommerzielle Veranstalter mit unseren Spielerinnen Geld verdienen, an dem wir nicht partizipieren“. Die Trainer hingegen begrüßen die Strandspielchen, und der Ex-USC-Coach Kortmann etwa hat seinen Berliner Pokalsiegern vom SCC zur Auflage gemacht, „mindestens fünf Beach- Turniere zur Schulung der Individualtaktik und zum Athletiktraining“ zu bestreiten. Der deutsche Beach-Volleyball-Boom lebt von den Sommer-Sonnen-Urlaubsgefühlen, die der Sport mit lässiger Musik und Moderation verbreitet. Dafür braucht es hierzulande nicht einmal echte Strände. Nur auf Wangerooge und Fehmarn muß in der Masters-Serie der Sand nicht eigens angekarrt werden. Alle anderen Turniere – in München, Frankfurt oder Berlin – holen sich den Strand, in Berlin 680 Tonnen Sand, in die Stadt.
Treibende Kraft für den Trendsport ist nicht zuletzt das Internationale Olympische Komitee (IOC), das im letzten Herbst beschloß, Beach-Volleyball in seine Weltspiele aufzunehmen und bereits in Atlanta 1996 Medaillen zu verteilen. Gemäß der angestammten materiellen Prinzipien haben sich die Chef-Olympioniken allein von kommerziellen Erwägungen leiten lassen, schwärmt der Präsident des Weltvolleyballverbandes FIVB, Ruben Acosta. „Das IOC denkt darüber nach, bestimmte Sportarten von den Olympischen Spielen auszuschließen, weil kein Fernsehinteresse an Übertragungen besteht. Am Beach-Volleyball aber sind die Sender weltweit sehr interessiert.“
Daß unter den 24 Männer- und 16 Frauenteams in Atlanta viele europäische Teams am Start sein werden, bezweifelt Acosta, „in Europa fehlt es an einer professionellen Organisation der Wettbewerbe“. Die fünf Turniere umfassende europäische Serie, die am 27. Juni in Bulgarien beginnen soll und bei der bereits Qualifikationspunkte für Atlanta gesammelt werden können, ist insbesondere bei drei Frauenturnieren aufgrund der wenigen Meldungen stark gefährdet.
Der Deutsche Volleyball Verband (DVV) allerdings hat entscheidende Schritte eingeleitet, die Strandspielerei zu professionalisieren und deutschen Beach-Spielern die Olympia-Qualifikation zu ermöglichen. War im April bereits der Exnationalspieler Burkhard Sude zum Honorar-Teamchef berufen worden, so beschloß man auf der Hauptausschußsitzung, den Beach-Nationalmannschaften in diesem Jahr ein Budget in Höhe von 160.000 Mark zur Verfügung zu stellen. Hinzu kommen Sporthilfe-Förderung und Sponsoren- Gelder, so daß der DVV-Generalsekretär Endlich „den Gesamtumfang der Gelder auf etwa 200.000 bis 250.000 Mark“ schätzt.
Die deutschen Beach-Nationalspieler werden sich aus der Bundesliga verabschieden und das ganze Jahr im Sand spielen. Eine neue Aktivenvereinbarung – statt Vereinshonorar gibt es Aufwands- und Ausfallsentschädigungen – soll bis zum Beach-Saisonabschluß bei der WM in Rio de Janeiro laufen. Angesichts derartig copacabanischer Perspektiven hat der Verband größte Bedenken, daß ihm die Hallenvolleyballer an die Strände entfliehen. „Deswegen“, dünkt es Endlich, „dürfen wir den Anreiz für unsere Beach-Volleyballer auch nicht zu groß gestalten.“
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