: Privatisierung und Sparprogramm
■ Kuba verkauft Hälfte des Telefonnetzes / Ölfunde vor Küste / Bei der Zuckerernte droht eine neue Pleite
Berlin (taz) – Während die Journalisten in Havanna mit den Flüchtlingen in der deutschen Botschaft beschäftigt waren, brachte die Regierung Castro die größte Privatisierung seit der Revolution 1959 unter Dach und Fach. Die staatliche Telefongesellschaft Emtel Cuba soll zu 49 Prozent an die mexikanische Holding-Gruppe Domos verkauft werden. Für Kuba eine Finanzspritze in höchster Devisennot: Rund 2,5 Milliarden Mark sollen die Mexikaner bezahlen – für Kuba fast so viel, wie alle Exporteinnahmen im vergangenen Jahr zusammen.
Für den Abschluß der Verhandlungen war Mexikos Staatspräsident Salinas de Gortari höchstpersönlich mit Domos-Chef Garza Caldern nach Havanna geflogen. Zwar haben nur fünf Prozent der Kubaner einen Telefonanschluß, aber die Ferngespräche mit den USA machen das Telefonbusiness zu einem der lukrativsten Geschäfte auf der Insel. Bislang erlauben Washingtons Embargo-Bestimmungen nur 300 Gespräche zwischen beiden Staaten am Tag. Gerade im Telefonbereich gab es jedoch von der Clinton-Regierung vorsichtige Zeichen einer allmählichen Normalisierung. Die mexikanische Großinvestition setzt offenkundig darauf, daß die Embargo- Restriktionen zumindest hier in absehbarer Zeit fallen werden.
Kapitalistische Auslandsunternehmen sorgten auch für die zweite Nachricht, die in Havanna mit großer Erleichterung aufgenommen wurde. Die kanadischen Ölfirmen Sherritt und Talisman Energy verkündeten, daß sie bei Off-shore-Bohrungen vor der kubanischen Küste fündig geworden seien. Das Vorkommen ist aber im internationalen Vergleich von recht bescheidener Größe, und selbst bei maximaler Förderung bliebe Kuba für den Eigenverbrauch weiterhin auf hohe Ölimporte angewiesen. Dennoch: In der dramatischen Energienot der sozialistischen Karibikinsel seit dem Zusammenbruch des RGW ist jeder Tropfen eigenes Öl wertvoll. Und wo die Ölsuche der ausländischen Unternehmen zu einem der Strohhalme für das Überleben der Revolution geworden ist, wäre ihr Scheitern ein Desaster gewesen.
Dies umso mehr als die Zuckerrohrernte, Kubas Exportprodukt Nummer eins, in diesem Jahr noch katastrophaler auszufallen scheint als im letzten. Offiziell wurden noch keine Zahlen genannt, doch Schätzungen gehen von einem absoluten Negativrekord von nur 3,5 bis 3,8 Millionen Tonnen aus. Zum Vergleich: 1959, im Jahr der Revolution, wurden über sechs Millionen Tonnen produziert.
Derweil bekommt die kubanische Bevölkerung zunehmend das am 1. Mai beschlossene Sparprogramm zu spüren. Die seitdem verkündeten Preisanhebungen sind in der Tat rigoros: Zigaretten wurden um 566 Prozent teurer, Bier um 100 Prozent, Benzin um 270 Prozent, Strom um 122 Prozent. Außerdem fallen vom 1. Juli an die staatlichen Subventionen für Arbeiterkantinen weg. Besonders schmerzhaft sind die Einschnitte im Gesundheitswesen, einer der wichtigsten Errungenschaften der Revolution. Ein neuer Nationaler Arzneimittelplan schreibt auch hier ein drastisches Sparprogramm fest. Künftig sind in Kubas Apotheken keinerlei Medikamente mehr frei zu kaufen, alle Arzneimittel unterliegen einer strengen Rationierung. Bert Hoffmann
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