: Die Fängerin der Roggenpolle
■ Wie die Blumenthaler Pollenfalle die unsichtbaren Niesreizer leimt
Die Misere hat einen simplen Namen: Allergie. Jedes Jahr zieht sie größere Bahnen, vom Frühjahr bis in den späten Sommer hinein röcheln, niesen, tränen und schnupfen ihre Opfer, als wären sie einer Grippeepidemie erlegen – je mehr die Sonne scheint, desto heftiger der Niesreiz. Bei AllergologInnen häufen sich die „Schnüpfler“, wie sie in der Praxis der Blumenthaler Hautärztin Eva Ramsauer genannt werden. Sie ist Mitglied der bundesweiten Stiftung „ Deutscher Polleninformationsdienst“ (PID), die sich schon zu Beginn der 80er Jahre gründete - vor allem, um die Misere der Allergieopfer in Bahnen zu lenken: Übers Land verteilte Pollenfallen sollen Aufschluß über Pollenflug geben. Dann könnten Betroffene rechtzeitig in Deckung gehen oder Medikamentengeschütze auffahren. Ein Ehrenamt.
Die PID-Idee ist einfach: Vor allem nach den allergieträchtigsten Pollen von Birke, Hasel, Beifuß, Roggen und Gräsern wird per Pollenfalle gefahndet. Mit ihrer Hilfe läßt sich ermitteln, wieviel Niesreizer in der Luft herumschwirren. Das ist die Grundlage für eine Meldung an den Wetterdienst , der anhand seiner Vorausschau über nahenden Regen, Wind oder Kälte die Heftigkeit des Allergieangriffs prognostiziert.
In Bremen sieht das so aus: Dreimal wöchentlich, von März bis August, steigt die gelernte Krankenschwester Ursel Weidlich aufs Dach des Zentralkrankenhauses Nord und birgt die Erregerchen aus der Pollenfalle. Die steht dort wie ein unauffälliger Alles-Staubsauger und reckt die kleine Düsenschnute immer hungrig dem Wind entgegen. So geht ihr das Luftplankton auf die innere Leimfolie, die anschließend im Labor ausgezählt wird. Pöllchen für Pöllchen.
Am letzten Samstag beispielsweise ballten sich gleich über 170 Gräserpollen, unscheinbar zierlich und rund, wie verkleinerte Golfkugeln unter der Linse. Im wahren Leben sind das genug natürliche Grasgase, um eine Schnüpflerin auf offenem Feld in eine Heulboje zu verwandeln. „Sehr starker Pollenflug“ heißt es dann meist im Radio.
So gut die Idee ist, in der Praxis gibt es Mängel - vor allem weil von den vier Pollenmeßstationen im Raum Weser Ems nur die Bremische Station auf dem Zentralkrankenhaus Nord arbeitet. Die drei übrigen, in Vechta, Oldenburg und Borkum, melden nicht. Die Folge: Die Pollenflugdeutung des Wetterdienstes nur auf einem Bein. Daß die Pollenfalle außerdem im achten Stockwerk plaziert ist, dazu noch von Wald umgeben , weckt Zweifel bei der Meteorologin Juttta Perkuhn, die beim Bremer Wetterdienst arbeitet. Ihre Argumente : während am letzten Sonntag in Bremen nur 16 Gräserpollen pro Kubikmeter gezählt wurden, gab es in Hannover eine wahre Pollenexplosion. „730 Gräserpollen“, vergleicht die Expertin die Daten. „Auch wenn es hier leicht bewölkt war – eine solche Differenz ist nur durch unterschiedliche Standorte zu erklären.“
„Alles ein Geldproblem“, erklärt der Oldenburger Arzt Volker Kunicke, seit 14 Jahren Mitglied beim PID. Weil keine staatliche Stelle auch nur einen Pfennig dazutut, zahlen die Fallenbetreiber viel aus eigener Tasche. Als ihm dieses Jahr die zählenden BiologiestudentInnen kurzfristig abgesprangen, war Ersatz schwer zu finden. „Wir zahlen nur 300 Mark pro Nase für die ganze Saison. Schreiben sie ruhig, daß wir Geld brauchen“
Eva Rhode
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