■ Erstes Bundestreffen der Telekomgeschädigten: David gegen die Gebührengeier
Essen (taz) – Rund eine Million Mark schwer, so schätzt Günter Leppelt, werden die Teilnehmer des ersten bundesweiten Treffens von Telekom-Geschädigten sein, das morgen in Essen stattfindet. Auf diese Gesamtsumme belaufen sich die Forderungen des Postunternehmens, die in Form der Telefonrechnung wie aus heiterem Himmel über die Zufallsopfer hereinbrachen. Untereinander und mit Vertretern der Telekom soll diskutiert werden, welche Möglichkeiten es gibt, sich gegen überhöhte Rechnungen zur Wehr zu setzen. Ganz krasse Fälle werden wohl auch dabeisein, wie etwa der Hamburger Fotograf, dem die Telekom von einem Monat auf den anderen plötzlich über 200.000 Mark vom Konto abgebucht hatte. Doch Forderungen dieser Größenordnung sind eher die Ausnahme.
Alltäglich sind Fälle wie jener, der den Frührentner Leppelt vor zwei Jahren auf die Spur der fernsprechmonopolistischen Abzocker brachte: Eine Familie aus der Nachbarschaft des Esseners sollte eine Telefonrechnung von 1.500 Mark angehäuft haben. Als er selbst dann bei einem Anruf nach Österreich feststellte, daß der Gebührenzähler schon während des Wählens zu ticken begann, war sein Interesse an den Abrechnungspraktiken des Staatsunternehmens völlig geweckt. Über Zeitungsmeldungen stieß Leppelt auf Gleichgesinnte, die sich dann im Oktober 1992 in Wuppertal erstmals trafen. Daß er eine Lawine losgetreten hatte, merkte der einstige Finanzbeamte erst, als sich nach Presseberichten über die neugegründete „Interessengemeinschaft Telekom-Geschädigter“ plötzlich Betroffene aus dem gesamten Bundesgebiet bei ihm meldeten.
Der Falschabrechnung verdächtigt, mauern die Postler in der Regel erstmals. Selber schuld, Gattin/ Gatte, Oma/Opa, Tochter/Sohn hätten halt nicht wegen Telefonsex auf den niederländischen Antillen oder sonstwo anrufen dürfen. Es gilt das Prinzip: „Im Zweifel gegen den Beschuldigten“. Also zahlen, bitteschön, sonst wird der Anschluß stillgelegt, und man sieht sich vor Gericht wieder. Doch bei jährlich 430.000 Einsprüchen gegen überhöhte Telefonrechnungen kann von Einzelfällen kaum die Rede sein. Noch bis vor kurzem konnten Betroffene aber nur auf Kulanz seitens der Telekom hoffen – und die sieht, laut Leppelt, bei kleineren Beträgen dann so aus, daß in einem kurzen Anruf mitgeteilt wird, der Fehler sei gefunden und die Sache erledigt. Schriftlich eingestehen will die Telekom ihre Fehler jedoch nicht.
Vor Gericht hatten die Geschröpften bis vor kurzem keine Chance. In der Rechtspraxis galt der „Beweis des ersten Augenscheins“, was soviel bedeutet wie: „Die Telekom hat immer recht.“ „Die Richter haben bei solchen Prozessen ihren Verstand ausgeschaltet, obwohl offensichtlich war, daß die Behauptungen der Telekom Blödsinn sind“, kommentiert Leppelt lakonisch. Mit zwei Entscheidungen, kürzlich gefällt von den Amtsgerichten in Düsseldorf und Heidelberg, ist die Unfehlbarkeit des noch staatlichen Monopolunternehmens jetzt jedoch ins Wanken geraten. Die Richter entschieden erstmals, die Telekom sei den Beweis schuldig geblieben, daß die in Rechnung gestellten Gespräche tatsächlich vom Anschluß des Kunden aus geführt wurden. Was die geschätzte Million Mark an geforderten Gebühren betrifft, so kommentiert Leppelt höhnisch, daß die nach buchhalterischen Maßstäben von der Telekom eigentlich als „zweifelhafte Forderungen“ verbucht werden müßte... Joachim Hiller
Treffen: Sa., 18. Juni, 16 Uhr,
Essen, Saalbau
Kontakt: Günter Leppelt,
Tel./Fax 02054/16 830
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