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Öresund: Grünes Licht für Autolobby

■ Schwedens Regierung beschließt umstrittenes Brückenprojekt / Umweltminister zurückgetreten

Stockholm (taz) – Das umstrittendste Verkehrsprojekt Nordeuropas ist besiegelt. Schwedens Regierung gab gestern grünes Licht für den Bau einer kombinierten Brücken- und Tunnelverbindung über den Öresund zwischen Dänemerk und Schweden. Dänen und Schweden hatten sich in Umfragen mehrheitlich gegen das milliardenschwere Verkehrsprojekt ausgesprochen. Und auch umwelt- wie verkehrspolitisch spricht alles gegen die Autobrücke. Wenn es schon eine feste Verbindung geben muß, wäre ein Eisenbahntunnel mit Autoverladung sinnvoller gewesen, sagen die Brückengegner. Doch die Autolobby konnte sich am Ende durchsetzen. Die Kosten werden auf bis zu sieben Milliarden Mark geschätzt.

Innenpolitisch war die Entscheidung über den Brückenbau von Anfang an ein Sprengsatz der vor drei Jahren angetretenen Vier- Parteien-Koalition. Das grün angehauchte Zentrum polterte stets gegen die Brücke, an der Spitze deren Umweltminister Olof Johansson. Er trat aus Protest über die Entscheidung von seinem Amt zurück. Johansson und das Zentrum beschränkten sich jetzt darauf, sich gegen den Beschluß zu „verwahren“, ohne jedoch die Koalition platzen zu lassen. Mit dem jetzigen Votum wurde das leidige Thema gerade noch vor den Wahlen im September abgehakt. Die Regierung Carl Bildt hatte sich erfolgreich bemüht, die Kabinettsentscheidung auf die lange Bank zu schieben, nachdem ein Regierungsabkommen zwischen Kopenhagen und Stockholm schon 1991 unterzeichnet worden war.

Nicht nur für Johansson ist der ökologische Knackpunkt die Frage des Wasserdurchflusses in und aus der Ostsee. Umweltschützer befürchten eine Art Sperreffekt durch die Brückenpfeiler und zwei künstliche Inseln, die im Öresund aufgeschüttet werden sollen. Wissenschaftliche Analysen wollen ergeben haben, daß dieser Effekt nicht höher als 0,5 Prozent sein soll. Der Reststau soll durch Ausbaggerungen, die stetig erneuert werden müßten, behoben werden. Dafür soll eine Masse von 6,8 Millionen Kubikmetern bewegt werden, die zu erheblichen Verschlammungen und Vertrübungen des Wassers führen dürften.

Die Schar der Befürworter des Großprojekts ist zwischenzeitlich kräftig zusammengeschrumpft. Ihr Argument: Die Brücke verspreche eine weitere wirtschaftliche Entwicklung des Wirtschaftsraumes Malmö–Kopenhagen. Die entscheidende Bedeutung für die verkehrstechnische Anbindung Schwedens an den Kontinent und damit die EU aber hat die Öresundbrücke schon vor dem ersten Spatentisch verloren. Die Verkehrsströme aus Schweden nach Europa haben sich nach der Öffnung Osteuropas breit aufgefächert und werden durch einen dichten und leistungsfähigen Fährverkehr ideal bedient. Die Wirtschaft ist zudem das chronisch verstopfte Nadelöhr Deutschland leid und lenkt ihre Transporte immer mehr auf den Seeweg und in holländische und belgische Häfen. Eine von der Transportbranche in Auftrag gegebene Analyse hat eindeutig die größere Wirtschaftlichkeit von Fähren nachgewiesen.

Auf dänischer Seite sind die Vorbereitungen für die Landanbindung bereits in Gang. Die derzeitigen Planungen gehen davon aus, daß der Verkehr spätestens im Jahre 2000 über die Brücken-Tunnel-Kombination rollen soll. Der individuelle Autoverkehr wird sich im ohnehin verkehrsmäßig schwer belasteten Großraum Kopenhagen/Malmö laut mehrerer Gutachten möglicherweise verzehnfachen. Die Bahn ist an dem Umweg über die Brücke wenig interessiert und plant zwischenzeitlich einen separaten Eisenbahntunnel im nördlichen Teil des Öresund. Und die Umweltschutzbewegung kann sich schon einmal darauf vorbereiten, daß die Verkehrslobby nunmehr auf die Verwirklichung des nächsten Brücken- oder Tunnelprojekts drängen wird: die feste Verbindung über den Fehrmarn- Belt zwischen Deutschland und Dänemark. Reinhard Wolff

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