: Erster Prozeß im Fall Magdeburg
Der Angeklagte soll mit Hitlergruß durch die Magdeburger Innenstadt gelaufen sein / Kein Unbekannter: Jugendstrafe zwei Wochen vor den Krawallen zur Bewährung ausgesetzt ■ Von Eberhard Löblich
Magdeburg (taz) – Gestern stand der erste Angeklagte der ausländerfeindlichen Menschenjagd von Magdeburg vor Gericht. Dem 18jährigen Danny K. wird vorgeworfen, am Himmelfahrtstag mit dem Hitlergruß durch die Stadt gelaufen zu sein. Ein Fernsehteam des Mitteldeutschen Rundfunks hatte den Aufzug der Neonazis gefilmt, auf dem später von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Filmmaterial wurde Danny K. identifiziert.
Für die Justiz ist er kein Unbekannter. Im November vergangenen Jahres hatte K. gemeinsam mit anderen rechtsradikalen Randalierern zunächst ein China-Restaurant im Magdeburger Plattenbau- Ghetto Olvenstedt demoliert. Anschließend schlug er mit seinen Gesinnungsfreunden in der Magdeburger Innenstadt eine 19jährige Punkerin und einen 27jährigen Mann, der der Frau zu Hife eilen wollte, brutal zusammen. Beide Opfer kamen schwerverletzt in ein Krankenhaus.
Danny K. wurde zu einer 17monatigen Jugendstrafe ohne Bewährung verurteilt. Das Landgericht Magdeburg setzte nach einer Beschwerde des 18jährigen erst zwei Wochen vor den ausländerfeindlichen Ausschreitungen am Himmelfahrtstag diese Jugendstrafe nachträglich zur Bewährung aus. K. kam frei.
Ermittlungen gegen Polizeibeamte
Der Prozeß wegen der Ausschreitungen wird heute fortgesetzt, das Urteil soll am kommenden Donnerstag verkündet werden. Bislang hat die Staatsanwaltschaft gegen sechs mutmaßliche Täter Anklage erhoben. Ermittelt wird gegen insgesamt 62 Verdächtige.
Mittlerweile sind auch zwei Polizisten vom Dienst suspendiert worden, die am Rande der Ausschreitungen einen irakischen Asylbewerber mißhandelt haben sollen. Gegen die beiden Beamten sei ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt eingeleitet worden, bestätigte Oberstaatsanwalt Wolfram Klein.
Die Polizisten werden beschuldigt, den Flüchtling sowohl bei der vorläufigen Festnahme als auch während der Fahrt zum Revier mißhandelt zu haben. Die Magdeburger Polizeiführung hat gegen die beiden Beamten ein disziplinarisches Vorermittlungsverfahren eingeleitet. Oberstaatsanwalt Wolfram Klein bestätigte, daß seine Behörde auch gegen weitere Polizisten wegen der Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Himmelfahrtstag ermittle.
Zahlreiche deutsche Zeugen, aber auch betroffene Immigranten und Asylbewerber hatten der Magdeburger Polizei vorgeworfen, nicht nur untätig zugesehen zu haben, wie die Rechtsradikalen auf Ausländer Jagd machten, sondern sich teilweise selbst an diesen Mißhandlungen beteiligt zu haben.
Ob die Polizeibeamten, gegen die derzeit ermittelt wird, namentlich bekannt sind, wollte Oberstaatsanwalt Klein gestern nicht sagen.
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