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DGB-Kongreß fordert Sabbatjahre für mehr Jobs

■ Scharping räumt Differenzen ein / Hick-hack um Auftritt von PDS-Chef Gysi / Ludger Volmer (Grüne) betont „Nähe und Distanz“ zu den Gewerkschaften

Berlin (AFP/AP/taz) – Der DGB-Bundeskongreß hat gestern zu einem nationalen Beschäftigungspakt aller gesellschaftlichen Gruppen aufgerufen. Der Kongreß verabschiedete einen Initiativantrag, in dem die Halbierung der offenen und verdeckten Arbeitslosigkeit bis zum Jahre 2.000 verlangt wird. Mindestens drei Millionen neuer Stellen müßten zusätzlich geschaffen werden. Als eigener Beitrag verpflichteten sich die Gewerkschaften, stärker für die Verkürzung von Arbeitszeiten und für Sabbatjahre einzutreten.

In Angleichung an die Vorstellungen der SPD forderte der DGB-Bundeskongreß, die ab 1995 geplante Ergänzungsabgabe erst ab Jahreseinkommen von mehr als 60.000 Mark brutto bei Ledigen und 120.000 Mark bei Verheirateten zu erheben. SPD-Chef Scharping, der sich dem Antrag anschloß, forderte die Gewerkschaften auf, ihren Beitrag zur „Modernisierung staatlicher Tätigkeit“ zu leisten. Scharping sagte, im öffentlichen Bereich müßten noch viele bürokratische Hemmnisse abgebaut werden. Scharping räumte ein, daß es „hier und da Unterschiede in den Auffassungen“ zwischen Gewerkschaften und der SPD gebe. Am Vortag hatte DGB- Chef Dieter Schulte die SPD wegen einer angeblich arbeitgebernahen Haltung kritisiert.

Auch der Parteivorsitzende von Bündnis 90 / Die Grünen, Ludger Volmer, bot den Gewerkschaften am Mittwoch in einem Grußwort eine enge Zusammenarbeit an. Es gebe zwischen den Grünen und dem DGB ein „produktives Verhältnis von Nähe und Distanz“, so Volmer. „Wir haben sicher noch unterschiedliche Vorstellungen, wenn es um das Tempo des erforderlichen ökologischen Umbaus der Wirtschaft geht.“ Die Gespräche mit dem DGB hätten aber auch gezeigt, daß man in vielen Fragen gemeinsame Auffassungen habe, unter anderem wenn es um soziale Gerechtigkeit, die gewerkschaftlichen Handlungsbedingungen, die aktive Arbeitsmarktpolitik und den Aufbau der ostdeutschen Wirtschaft gehe.

Am gestrigen Spätnachmittag wollte auch der Vorsitzende der PDS-Bundestagsgruppe, Gregor Gysi, vor den Delegierten sprechen. Im Vorfeld hatte es deutliche Widerstände gegen ein Grußwort der PDS auf dem DGB-Bundeskongreß gegeben. IG-Chemie- Sprecher Bernd Leibfried sagte am Rande der Tagung, seine Organisation finde es „nicht richtig“, daß die SED-Nachfolgeorganisation mit einem Redner in Berlin vertreten sein. Der Auftritt Gysis sei vor allem in Westdeutschland „nicht gerade Werbung“ für den DGB. „Zuerst gab es keine Einladung an Gysi, dann gab es doch eine, dann sind wir wieder ausgeladen worden, dann doch wieder nicht“, sagte der Berliner PDS-Sprecher Harnisch gegenüber der taz. Gysi hatte auf dem Kongreß Flugblätter verteilen lassen, in denen er sich über das undemokratische Verhalten des DGB beklagte.

Auf dem Abend der Parteien am Mittwoch konnte sich die PDS allerdings über regen Zulauf freuen. Der Saal mit 150 Plätzen war nach Angaben von Beobachtern „rappeldickevoll“. Viele der Gewerkschaftsdelegierten seien aus den neuen Bundesländern gekommen. Der Parteivorsitzende Bisky wies in seiner Ansprache darauf hin, daß die PDS die Interessenvertretung der „abhängig beschäftigten Arbeitnehmer“ als ihre originäre Aufgabe betrachte. Damit hätte die Partei die gleiche Interessenslage wie die Gewerkschaften. BD

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