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Im Jubel der Massen baden

■ Das lesbisch-schwule Radiomagazin „Queerkanal“ auf Sendung

„In fünf Minuten seid Ihr auf Sendung“, ruft die Mitarbeiterin des Offenen Kanals in das Gewusel der sieben RadiomacherInnen des lesbisch-schwulen „Queerkanals“. Letzte Absprachen werden getroffen, DJ Lars Lammers hantiert am Plattenteller, Christian Seebeck zählt ein letztes Mal die Produktionsbänder, Silvi Schmidt rückt Moderationsmikro und Sendeplan zurecht und legt los.

Neben Tips, Terminen und Tabus gehören diesmal auch ein Gespräch mit den VeranstalterInnen der Pink Party, ein paar Gehässigkeiten über den Bremer Christopher-Street-Day und ein Aufklärungsteil zum Thema „Was Sie schon immer über Tunten-Muttis wissen wollten“ mit zum Programm. Und dann der Höhepunkt: die Heimatmelodie, die lesbisch-schwule Hörspielserie der „Queerkanal“-Starautorin Käthe Grunwald.

Was Käthe, im wirklichen Leben Auszubildende der Krankenpflege, da aus der Feder fließt, ist ein norddeutsches Sittenbild, ein lesbisch-schwuler Krabbencocktail auf der kleinen Nordseeinsel Ohland, mit jeder Menge Klischees: Alles fing damit an, daß Lotte (auf Ohland: Lodde), lesbische Touristin aus Frankfurt, ihr Handtäschchen zwischen Giftmüllbeuteln abhanden kam. Die bisweilen befremdlichen InselbewohnerInnen nehmen sich der Urlauberin an und nötigen die überzeugte Vegetarierin zum Labskausessen. Und als dann auch noch der Fährmann mit Leberzirrhose danieder liegt, sitzt Lodde auf Ohland fest.

Seit Januar sendet das flotte Team des „Senders mit Neigung“ einmal im Monat sein lesbisch-schwules Magazin beim Offenen Kanal. Eine Stunde Sendezeit steht dem Queerkanal auf der Frequenz 107,1 im Deutschlandfunk zur Verfügung. Hervorgegangen ist der Queerkanal aus der Redaktion der inzwischen eingestellten TV-Produktion „Rosa Nordschau“. „Die Leute hatten die Lust verloren und dann ist die Rosa Nordschau im Sande verlaufen“, heißt es im Queerkanal, und es wird allseits die Nase gerümpft. Denn: So ganz im gegenseitigen Einvernehmen war man nicht auseinandergegangen. „Konkurrenzkacke“ habe es gegeben, eine informelle, betonharte Hierarchie und die Dominanz einiger weniger Macher. „Da gab es z.B. einen, der einfach die Technik mitnahm, weil er gerne mit der Kamera durch die Fußgängerzone lief.“

Das sollte alles anders werden, dachten sich drei Lesben und vier Schwule und gründeten ein eigenes Radioteam. „Im Queerkanal haben wir alle, bis auf Britta, mit den gleichen technischen Defiziten angefangen. Daher konnten wir gleichberechtigter arbeiten und mußten nicht den Hiwi für irgendeinen Alleskönner spielen“, sagt Silvi Schmidt.

Beim Queerkanal können sich alle mit Technik, Beiträgen oder Moderation versuchen. Gemeinsam hört man sich die Beiträge und Interviews an, mäkelt mal hier und mal da, ohne aber zu zensieren. „Es läuft nach dem Chaosprinzip“, meint Lars Lammers und freut sich darüber, daß es trotzdem klappt.

„Kein anspruchsloses Klamaukradio, aber auch kein Betroffenenradio“ sollte der Queerkanal werden, so hatte das Team beschlossen. Sondern? „Unterhalten, Spaß haben, informieren, angeben, gemein sein, Klatsch und Tratsch verbreiten, entdeckt werden.“ Und außerdem, so Britta Ditges' Herzenswunsch: „Ich möchte im Jubel der Massen baden.“

Wer im Queerkanal mitmachen möchte, schreibt an den Offenen Kanal, Stichwort: Queerkanal

Silke Mertins

Nächster Sendetermin: 24.6.94, 15-16 Uhr auf der Frequenz 107,1

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