: Diskriminierung an der Schule – nichts bekannt
■ Offen lesbisch/schwul am Arbeitsplatz – in Bremen gibt es keine Diskussion darüber
Nur bei der GEW existiert ein Arbeitskreis lesbischer und schwuler LehrerInnen – aber der ist zur Zeit inaktiv. Trotzdem beantwortete die Bremer Lehrerin Petra Hassenpflug unsere Fragen.
taz: Was bedeutet es, daß die einzige gewerkschaftliche Homosexuellen-Gruppe nicht aktiv ist?
Petra Hassenpflug: Das bedeutet, daß es scheinbar keine offene Diskriminierung mehr am Arbeitsplatz gibt. Wir sind zwar noch ansprechbar, aber seit ein paar Jahren wendet sich niemand an uns.
Entwarnung also?
Ja. Oder die ehemaligen MitstreiterInnen, die mittlerweile zwischen 40 und 50 Jahre alt sind, haben sich irgendwie eingerichtet in ihrem versteckten oder offenen Lesbisch- oder Schwulsein. Und neue werden ja nicht eingestellt.
Sie haben sich vor 13 Jahren gegründet – wie war das damals?
In der GEW wurden wir 1982 erstmals „aktenkundig“, der Oberschulrat Eisenhauer hat uns sehr unterstützt. Wir waren alle so um die 30 und trauten uns nicht so richtig raus aus dem Versteck, andererseits wollten wir auch nicht länger versteckt leben. Man erwartete von uns, daß wir stille schweigen und uns unkenntlich machen. In den Medien erschienen ja nur überzeichnete Schwule und männermordende Lesben. Gut, wir waren mit denen solidarisch – aber eigentlich waren wir viel bürgerlicher. Trotzdem hatte man vor uns Angst.
Warum Angst?
Davor, daß wir Aktionen an den Schulen veranstalten und für uns werben würden. Man darf ja als Lehrerin keine Politik an der Schule machen.
Also dürfen Sie heute immer noch nicht werben?
Wir haben das nicht weiter abgeklopft. Die Frage ist ja, ob Werbung schon beginnt, wenn wir lesbisch-schwules Leben positiv vorstellen.
Die Voraussetzung, um in der Gewerkschaft aktiv zu werden, ist, sich selbst zu outen.
Ja, es war nicht unproblematisch, an die Öffentlichkeit zu treten. Vor allem vor den Eltern hatte ich ziemliches Herzklopfen. Das war wie Ausziehen. Lesbisch- oder Schwulsein wurde ja eng mit Sexualität in Zusammenhang gesehen. Das ist jetzt besser, gottseidank.
War das Herzklopfen am Ende begründet?
Ach, die Eltern waren ganz positiv drauf. Im Elternbeirat und so sitzen ja meist sehr engagierte Leute. Würden Sie Ihren KollegInnen einen Persilschein ausstellen?
Nein, das würde ich niemals tun. Es hängt so vieles von der Zusammensetzung des Kollegiums ab. Manche Stimmung kann da sehr unangenehm sein. Ich rate immer, sich auf vorsichtige Weise zu outen: Den Kreis derer, die das wissen, langsam zu erweitern.
Ist die Lesbe in der eheähnlichen Gemeinschaft am sichersten?
Ja. Wenn du lange immer mit derselben Frau zusammen bist, wirst du vollkommen akzeptiert. Wenn ich promisk wäre, dann wäre das vielleicht schon problematischer. Außerdem kommt es ja darauf an, was wir unter Diskriminierung verstehen. Offene Beschimpfung habe ich nie erlebt. Vielleicht nicht mal offene Ausgrenzung. Natürlich, wir werden schon anders gesehen. Aber das passiert Schwarzen beispielsweise auch. Und die haben nicht die Wahl, ob sie sich zu erkennen geben.
Gab es in den letzten zehn Jahren einen offenen Fall von Diskrininierung?
Nicht daß ich wüßte.
Woher kommt dann eigentlich die Befürchtung, am Arbeitsplatz diskriminiert zu werden?
Das weiß ich nicht. Es gibt ja eine lange Geschichte von Verfolgung. Und für alle Zeiten haben wir keine Garantie. Was die italienische Rechte beispielsweise jetzt zur Homosexualität wieder laut sagen darf, ist erschreckend.
Das ist weit weg von Bremen.
Ja, die LehrerInnenschaft ist von den 68ern stark beeinflußt. Sie trägt uns durch den Alltag.
Fragen: Eva Rhode
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