: Lesben, die im Dunklen tappen
■ Ein Streifzug durch die lesbischen Darkrooms der Hauptstadt, oder: die Einsamkeit der Langstreckenlesbe im Prenzlberger „biz-Café“ und im Kreuzberger „SO 36“
Anonymer Sex unter Lesben? Da wird wohl so manch einer schwarz vor Augen – und das soll es auch! Im Zuge der nie enden wollenden sexuellen lesbischen Revolution entdecken Lesben die letzte Domäne ungehemmter, befreiter und unkomplizierter Lust – den Sex im Dunklen.
Nicht etwa die heimische Nachttischlampe ist es, die ausbleibt, kein verklemmtes Fummeln unter der dunklen Bettdecke ist gemeint, sondern jene Art sich mitten in der Öffentlichkeit, in Kellern und Hinterzimmern von Bars und Discos mit fremden Menschen an den Genitalien rumzufummeln, die wir dabei nicht einmal sehen können und zum Glück auch nicht müssen. Darkrooms für Lesben sind der letzte Schrei, obwohl geschrien werden dürfte wohl vergleichsweise wenig. Bei einem Streifzug durch die lesbischen Darkrooms der Stadt fällt doch eher die Hilflosigkeit im Umgang mit dem anonymen Sex auf.
„Sehnsucht nach Berührung – brauchen Lesben einen Darkroom?“ heißt es da zum Beispiel einmal monatlich im biz-Café in Prenzlauer Berg. Hier wird schon ab nachmittags zur arbeitnehmerinnenfreundlichen Zeit ein Darkroom für Lesben angeboten. Während oben im Café buntes Treiben herrscht, bleibt im düsteren Keller leider nur gähnende Leere zu vermelden. Ein eigenes lesbisches Konzept von spontanem, anonymen Sex soll hier entwickelt werden. Im Beisein der Geliebten, Exlovers oder Arbeitskolleginnen einfach geil in den Keller hinabzusteigen, das gibt die lesbische Sozialisation aber leider doch noch nicht her. Was, wenn einem die Falsche in die Hände gerät? Oder schlimmer noch, die Richtige nur am falschen Ort? Probleme, denen sich viele Lesben dank moralischer Bedenken von vornherein entziehen.
Für die anderen soll eine Atmosphäre geschaffen werden, die es möglich macht, „es“ doch irgendwann zu tun. Indem zum Beispiel eine Gespielin für die Allgemeinheit den ganzen Abend im Darkroom plaziert wurde. Interesanterweise gab es eine wahre Flut von Bewerberinnen für den Job als „abendliche Dauerbelegung“.
Von Prenzlauer Berg nach Kreuzberg zu den „Hungrigen Herzen“ ins „SO 36“. Jeden Mittwoch kann hier unter den kritischen Augen der anderen Partygäste, vor allem der weiblichen, auf das Bühnenpodest hinter schwarze Vorhänge gestiegen werden. Dort allerdings ist ein einsamer Abend garantiert. Auch hier dominiert die Angst vor Peinlichkeiten und den ach so wohlgesonnenen lesbischen Mitmenschen, die keine Mühe scheuen, noch Wochen später allen mitzuteilen, wer mit wem wie lange im Darkroom verschwunden ist. Sollten wir sogar von der eigentlichen Idee eines Darkrooms ausgehen, nämlich allein im Raum zu stehen und darauf zu warten, angefaßt und -gemacht zu werden, wir stünden noch heute dort.
Zeit, die Frage zu stellen, wie schwul sind Lesben eigentlich wirklich? Eine kleine, nicht repräsentative Umfrage fördert hier doch Erstaunliches zu Tage. Hatten doch viele Lesben angeblich schon Sex in Darkrooms. Noch mehr gar verbinden mit den Kellern wilde Sexphantasien, allein die Verwirklichung dieser scheitert oft an der bereits erwähnten, rigiden lesbischen Sozialisation. In Ermangelung eigener sexueller Riten bedienen sich Lesben nur allzu gerne der aus den USA importierten schwulen Ikonen der befreiten Sexualität. Hin- und hergerissen zwischen Traum und Wirklichkeit nun stehen wir vermeintlich cool in der homosexuellen Gegend rum und wissen nicht genau, was wir zu brauchen meinen und ausleben wollen. Bei all dieser Verwirrung hilft nur noch der reale Testlauf – wir sehen uns also im Darkroom. Manuela Kay
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