: Millionenschäden durch Kreditbetrüger
■ Bundesweit mehr als 3.000 Geschädigte durch Berliner Kredithai / Betrugsdezernat ermittelt gegen „Novum GmbH“
„Die Novum GmbH ist mit allen Rechten und Pflichten in eine andere Firma übergegangen. Alle geschlossenen Verträge behalten ihre Gültigkeit bezüglich der noch auszuzahlenden Kredite. Die Firma wird sich mit Ihnen in Verbindung setzen. Wir bedanken uns für Ihr Vertrauen und wünschen Ihnen für Ihren weiteren Lebensweg alles Gute.“ Mit diesem zynischen Text vom Anrufbeantworter werden seit Mitte vergangener Woche die Kunden der Firma Novum GmbH vertröstet. Die Betreiber sind offensichtlich abgetaucht.
Gegen die Kreditvermittler ermittelt seit Anfang Mai die Staatsanwaltschaft. Nach Angaben der Polizei haben sich mittlerweile weit über 3.000 Geschädigte gemeldet – nicht nur aus dem Berliner Umland, sondern aus dem gesamten Bundesgebiet. Die Schadenshöhe beläuft sich nach Auskunft der Kripo auf mindestens eineinhalb Millionen Mark. Trotzdem ist der Fall Novum nach Angaben der Ermittler nur die Spitze eines boomendes Gewerbes. Weitere Angaben aber werden von der Polizei nicht gemacht.
Einige Zahlen kann dagegen die Neuköllner Schuldnerberatungsstelle „Neue Armut e.V.“ liefern. Allein im vergangenen Jahr seien in Berlin 67 Verfahren wegen sittenwidriger und unlauterer Werbung und 13 Verfahren wegen Betrugsverdachts eingeleitet worden, die zu insgesamt 43 Ermittlungsverfahren führten. Die Mehrzahl der Fälle sind noch nicht abgeschlossen.
In den meisten Fällen werden Kreditsuchende mit verwirrend verschachtelten Firmenkonstruktionen um Beträge bis zu einigen tausend Mark geprellt. Die Opfer sind überwiegend Kleingewerbetreibende aus Ostberlin und den neuen Bundesländern.
Außerdem hätten sich schon mehrfach mittelständische Gewerbetreibende beim Arbeitskreis „Neue Armut“ gemeldet, die auf Grund der betrügerischen Kreditversprechungen solcher Kredithaie Konkurs anmelden und ihre Angestellten entlassen mußten, berichtet deren Mitarbeiter Sven Gärtner.
Mit Phantasienamen wie „Hungaria“, „Ostkom“ und „CTV“ annoncieren obskure Kreditvermittler in Boulevardzeitungen und versprechen Kreditsuchenden problemlose und Schufa-freie kreditvermittlung.
Die ebenso simple wie wirkungsvolle Betrugsmasche, die auch die Novum/Baumannn- Gruppe benutzt: Den Kreditinteressenten wird vorgetäuscht, daß sie über private Darlehensgeber einen Kredit in nahezu beliebiger Höhe bekommen könnten. Haben die Kunden erst angebissen, müssen sie eine sogenannte „Auslagenpauschale“ zwischen 200 und 2.000 DM, vereinzelt sogar Beträge bis zu 10.000 DM bezahlen.
Mit fingierten schriftlichen Kreditzusagen dubioser Finanzdienstleistungsfirmen, die zum Teil nicht mal als Gewerbebetrieb angemeldet sind, wird ihnen dann vorgetäuscht, daß der jeweilige Kreditwunsch aussichtsreich sei. Das erhoffte Geld bekommen die Kunden allerdings nie zu sehen, weil die privaten Geldgeber gar nicht existieren. Wenn die Betrogenen dann lästig werden und nachfragen, wann der gewünschte Kredit endlich ausgezahlt wird, werden sie mit Ausreden abgespeist und hingehalten, bis sie die gezahlte Gebühr und den Kredit abschreiben. Peter Lerch
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