: Atommüll mit dem Grünen Punkt
Siemens in Hanau ließ Reste aus der Brennelementefertigung in Tomsk recyceln / Fischer stoppte Export nach Rußland / Wer hat die Sicherheit der Anlage in Tomsk überprüft? ■ Von Hermann-Josef Tenhagen
Berlin (taz) – Nein, auf den 30.000 Kilo Atommüll, den Siemens bis Ende Mai ins russische Tomsk exportierte, klebte nicht der Grüne Punkt. Und diesmal ist auch nicht das Duale System für die dubiosen Transporte nach Rußland verantwortlich.
Genehmigt hatten den Export von „leicht verunreinigten Fertigungsrestmengen“ aus der Uran- Brennelementeherstellung vielmehr die Euratom Supply Agency und das Bundesausfuhramt in Eschborn. 140.000 Kilo davon sollte bei der Siberian Group of Chemical Enterprises Tomsk (SCE), also der durch den Plutoniumunfall 1992 bekanntgewordenen WAA Tomsk, gereinigt und verarbeitet werden. Uranhexaflorid sollte dann nach Hanau zurückgeschickt werden.
Nachdem das hessische Umweltministerium mit der Androhung rechtlicher Schritte Siemens dazu gebracht hat, vorläufig auf weitere Atommüll-Exporte zu verzichten, will keiner mehr für die Exportgenehmigung verantwortlich sein. Die Eschborner sagen jetzt, sie hätten mit der Genehmigung eigentlich nichts zu tun. „Wir haben die Genehmigung auf Weisung des Bundesumweltministeriums erteilt“, so Amtssprecher Norbert Gowor gestern. Selbst geprüft werde in solchen Fällen im Ausfuhramt nicht mehr.
Im Gegensatz dazu hatte das Bundesumweltministerium dem hessischen Umweltministerium noch am 13. Mai geschrieben, das Bundesausfuhramt habe „geprüft, ob die Verwertung mit Gefahren verbunden ist. Aufgrund seiner Kenntnisse hat das Bundesausfuhramt dies verneint.“
Die zentrale Frage jeder Prüfung lautet, handelt es sich bei dem verunreinigten Uran um Reststoff, also Müll, oder um Wertstoff. Siemens argumentiert nach wie vor, die verunreinigten Uranreste seien ein Wertstoff und nicht Atommüll. Die Unterscheidung ist rechtlich bedeutsam. Für atomare Reststoffe, vulgo Atommüll, gilt nämlich der Paragraph 9a des Atomgesetzes. Der schreibt die „schadlose Verwertung“ von Atommüll vor.
Siemens-Sprecher Rainer Jend bringt es auf die Formel: „Es handelt sich um Kernbrennstoff, das heißt, wir exportieren Wertstoffe nach Rußland. Das Uran ist immerhin 75 Millionen Mark wert.“
Dem hatte sich das Bundesumweltministerium (BMU) zunächst angeschlossen. Hinweise, daß es sich auch um Atommüll handeln könnte, „sind in der Deklaration der Firma Siemens zunächst nicht erkennbar gewesen“, so Arnulf Matting vom BMU.
Allerdings hat man im Ministerium wohl auch nicht allzu genau hingeguckt. Denn erst als das hessische Umweltministerium drängelte und auf Analysewerte hinwies, wurde den Bonnern klar, daß die Uranreste „ganz erheblich verunreinigt“ (Matting) sind.
Im hessischen Umweltministerium ist man ganz sicher, daß es sich um Atommüll handelt. „Und für uns ist nicht nachvollziehbar, wie der Atommüll in Tomsk schadlos verwertet wird“, so die Sprecherin des hessischen Umweltministeriums, Renate Gunzenhauser. Deswegen habe man Siemens ja auch zum Exportstopp bringen müssen.
Und in Bonn habe man sich inzwischen wohl auch eines Besseren besonnen, freut sich Gunzenhauser. Jedenfalls hat das Bonner Ministerium keine Bedenken mehr gegen das Exportverbot.
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