: Mit Gold behängter Zauberfuß
■ Die unaufhörliche Auferstehung des Diego „Lazarus“ Maradona: Beim 4:0 gegen Griechenland zeigt sich der 33jährige überraschend munter auf den Beinen
Warum tut dieser Mensch das bloß? An Geld fehlt es Diego Armando Maradona jedenfalls nicht, schließlich hat er nach eigenem Bekunden in seiner 18jährigen Profikarriere so viel verdient, daß seine beiden Töchter „ihr Leben lang Champagner trinken können“. Gemütlich könnte er zu Hause bei seiner Familie sitzen, angeln gehen, den opulenten Produkten der Kochkunst seiner Mama frönen, ein bißchen auf Reporter schießen, vielleicht hin und wieder mit Freunden ein wenig herumkicken und ansonsten den lieben Gott einen guten Mann sein lassen.
Stattdessen unterzieht er sich rasanten Abmagerungskuren, nach denen er aussieht wie sein eigenes Gespenst, läßt sich von wildfremden Leuten 90 Minuten lang am Trikot zupfen und kassiert jede Menge Tritte auf seinen wertvollsten Besitz, die Füße. Warum nur?
Die Lösung: Maradona amüsiert sich bei alledem königlich. Schon zur Halbzeit umarmte er breitstrahlend, als habe er gerade den Heiligen Gral gefunden, den bis dato zweifachen, am Ende dreifachen Torschützen Gabriel Batistuta; völlig unbeeindruckt davon, daß ihn sein Gegenspieler keine Sekunde aus den Augen geschweige denn losgelassen hatte und er mehr Hiebe auf die Beine bekommen hatte als jedes Pferd im Schockemöhle-Stall. „Sollen sie mich doch ruhig treten“, meinte er in der Pause gelassen, „dann sind sie am Schluß nur noch zu fünft oder zu sechst.“
Das dachten sich wohl auch die Griechen, denn in der zweiten Halbzeit hörten sie auf, nach Maradona zu treten und dieser lief, plötzlich mit Spielraum ausgestattet, zu einer Form auf, die niemand vorher erwartet hätte. Außer den Hellenen. In den ersten 45 Minuten hatte die Spezialbewachung, die sie ihm angedeihen ließen, Platz für seine Mitspieler geschaffen, in der zweiten Halbzeit nahm der Zauberfuß, dessen Ohrringe und Goldkettchen aufs Alter immer voluminöser werden, das Spiel selbst in die Hand.
Der 33jährige präsentierte sich in erheblich besserer Verfassung als 1990 in Italien, verteilte die Bälle, dribbelte frech umher, schoß ein fulminantes Tor und war vor allem glänzender Laune. Ein diebisches Grinsen begleitete die meisten seiner Aktionen und nach seinem Treffer jubelte er derart exaltiert in die nächstbeste Kamera, daß man schon wieder um seine Dopingprobe fürchten mußte.
Wenn Maradona nach der im Endeffekt mißratenen WM 1990 für einen Klub spielte, ob in Neapel, in Sevilla oder in Argentinien, hing es ihm sehr schnell zum Halse raus, aber wenn er nicht spielte, war er kreuzunglücklich, fett und unleidlich. Nach seinem frühzeitigen Abschied von den Newell's Old Boys scheint er jetzt die ideale Art des Fußballs gefunden zu haben. Kein Verein, kein Training, keine lästigen Auswärtsspiele, bei denen er bloß ausgepfiffen wird, keine minderbemittelten Mitspieler – stattdessen private Vorbereitung und nur noch Länderspiele.
Ein Ende ist nicht abzusehen, denn auf diese Art kann der ewige Lazarus des Weltfußballes im Stile eines Roger Milla wohl auch noch 1998 in Frankreich sein linkes Goldfüßchen aufblitzen lassen – dann wahrscheinlich mit dem Hope-Diamanten im Ohr und einem neuen Abmagerungsrekord im Guinness-Buch. Matti Lieske
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