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Der mit dem Offizier tanzt

■ „Geronimo“ von Walter Hill, noch ein „Western cum Indianer“, weist zwar veritable Einschußlöcher, aber recht wenig historische Akkuratesse auf

Robert Altman brachte die Darstellung der Indianer im US- amerikanischen Film auf den Punkt. In seinem „Buffalo Bill und die Indianer“ läßt er den ehemaligen Büffeltöter und späteren Zirkusdirektor zu dem besiegten und gedemütigten Häuptling Sitting Bull sagen: „Welcome to showbusiness. It ain't that much different from real life.“

Für Hollywood, auch nach Costner, sind die Ureinwohner noch immer eher wandelnde Projektionsflächen. Das wohl ehrlichste Bild vom weißen Eroberer brachte 1969 Ralph Nelson in „Soldier Blue“ („Das Wiegenlied vom Totschlag“) auf die Leinwand. Er zeigte, recht drastisch, ein Massaker, das die Soldaten in einem Indianerdorf anrichten.

Doch auch „der härteste Film der Welt“ (Verleih-Slogan), war eigentlich nur eine Marketingstrategie, er paßte halt in die Zeit des Vietnamkriegs. Im Grunde sollten alle diese „Western-mit-Indianer- Filme“, auch die von Peckinpah oder Aldrich, nur beweisen, daß Amerika durch Gewalt existieren oder nicht existieren kann – wodurch natürlich selbst für den, der mit dem Wolf tanzt, alles legitimiert ist.

Auch in „Geronimo“ geht es um einen Indianerschlächter. Aber natürlich wird General George Crook (eine historische Person) in Walter Hills Film nicht so genannt. „Indianerkämpfer“ heißt das bei Hill und seinem rechtslastigen Drehbuchautor John Milius („Die rote Flut“). Dabei zeigen Hill und Milius auf den ersten Blick viel Sympathie und Verständnis für Geronimo und seinen verzweifelten Kampf.

1878 schien Geronimo (den Namen gaben ihm die Mexikaner), der Führer der Chiricahua-Apachen, endgültig besiegt. Die Mexikaner hatten seine Mutter, seine Frau und seine beiden Töchter umgebracht. Geronimo hatte sich gefangen nehmen lassen und baute jetzt im Reservat San Carlos Wassermelonen an. Doch drei Jahre später hielt er es nicht mehr aus, zusammen mit Naiche, dem Sohn Cochises und 100 anderen Chiricahua brach er aus dem Reservat aus und begann einen dreijährigen Guerillakrieg gegen die USA.

General Crook wurde als Kommandant des Department of Arizona berufen, mit dem ausdrücklichen Befehl, die Apachen wieder einzufangen oder zu töten. Im Februar 1884 gab sich Geronimo abermals geschlagen und ging mit seinen Leuten in die Reservation zurück. Doch die Lebensbedingungen dort waren unerträglich. Ein Jahr später floh er wieder und kämpfte, beiderseits der mexikanisch-amerikanischen Grenze, gegen die Armeen beider Länder. Crook kriegte Geronimo nicht in den Griff und wurde wegen seiner angeblichen „Indianerfreundlichkeit“ durch General Nelson A. Miles ersetzt.

Der schickte 5.000 Soldaten in die Wüste, um 35 Männer, 8 Kinder und 101 Frauen der Chriricahua zu fangen. Die Jagd dauerte ein Jahr und blieb zunächst erfolglos. Als Geronimo sich schließlich ergab, waren noch 35 Indianer übrig, der Großteil seiner Anhänger war verhungert.

Hills Geschichte beginnt, als Geronimo sich 1884 ergibt. Der Häuptling wird als verbitterter, aber stolzer Mann vorgestellt, der er zweifellos zu dem Zeitpunkt auch war. Hill zeigt grandiose Landschaftsaufnahmen in der Totalen und schneidet sie direkt gegen Großaufnahmen der Schauspielergesichter, das rauhe, ausdrucksstarke von Wes Studis (Geronimo), das graubärtige von Gene Hackman (Crook), das harte, abgeklärte von Robert Duvall (Al Sieber, Anführer der Scouts) und das nichtssagende von Jason Patric (Lt. Charles Gatewood). Eigentlich ist klar, daß nur eins dieser Gesichter zu der wilden Landschaft paßt, aber Hill macht die Sache wieder wett, indem er die weißen Männer immer öfter zeigt, soll heißen, hier kommen die neuen Herren des Landes. Zwar dürfen die Offiziere ein paarmal ihren Respekt vor den Apachen bekunden, und herumjammern, daß sie ja schließlich nur Befehle ausführen, doch die Bilder, die darauf folgen, sprechen eine andere Sprache. Die Blauröcke treten offen und in ordentlicher Formation zum Kampf an, die Apachen sind hinterhältig, locken die Soldaten in Fallen und ermorden wehrlose Fahrgäste in Postkutschen. Als Geronimo eine Kupfermine der Eroberer überfällt, sagt einer der Arbeiter zu ihm: „Ihr könnt doch mit dem Land gar nichts anfangen, wir sind hier, um etwas daraus zu machen.“ Der „Wilde“ läßt die unbewaffneten Männer zusammenschießen.

Das alles erzählt Hill sehr schleppend, Tempo gibt es nicht. Totale, Großaufnahme und bei den Kampfszenen ist die Kamera mitten drin im Geschehen, so daß man kaum etwas erkennt. Vielleicht sollte das dem Film einen Anstrich von Dokumentation geben, macht ihn aber zäh und langatmig. Einzig die oft gezeigten großen Einschußlöcher (typisch Hill) und noch größeren Austrittswunden bleiben etwas länger im Gedächtnis hängen.

Zu keinem Zeitpunkt nimmt Walter Hill eindeutig Stellung für die Indianer. Für ihn sind sie Besiegte, nur einige wissen es noch nicht, und das ist allenfalls traurig. Die US-Armee dagegen besteht aus aufrechten Männern, die halt, sorry, einen Job zu erledigen haben. Die Indianer könnten noch froh sein, es nicht nur mit Kopfgeldjägern zu tun zu haben, die für jeden abgelieferten Indianerskalp eine Prämie kassierten. Das geht soweit, daß ein Offizier zu dem Häuptling sagen darf: „Die Armee ist die einzige Chance, die ihr habt.“

Der Film endet mit Geronimos Deportation nach Florida. Kein Wort und kein Bild darüber, daß auch er, genau wie Sitting Bull, zur Witzfigur gemacht wurde. 1898 wird er auf der Trans-Mississipi- Ausstellung in Omaha „ausgestellt“, 1903 in St.Louis, man erlaubt ihm Fotos von sich für 25 Cent das Stück zu verkaufen. Ein Jahr später wird er in Pawnee Bill's Wild West Show auf einem Plakat angekündigt mit: „Geronimo – General Miles says ,The Worst Indian That Ever Lived‘ – Cost the United States Goverment Over a Million Dollar to Capture Him.“ Am 17. Februar 1909 starb der 75jährige Geronimo in Fort Sill an Lungenentzündung.

Übrigens war Geronimos richtiger, also indianischer Name Goyathlay, das bedeutet „Einer, der gähnt“. So gesehen hat Walter Hill das Thema des Films doch nicht verfehlt. Karl Wegmann

Walter Hill: „Geronimo“. Mit Wes Studi, Gene Hackman, Robert Duvall, Jason Patric u.a.; USA 1994; 115 Min.

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