: Gerangel mit Burschen
■ Die Klage zweier Burschenschafter bringt den Asta der Universität Hannover gehörig in die Klemme
Denkbar knapp hatte die Liste 8 Leibniz den Einzug in das von 30.000 StudentInnen gewählte StudentInnenparlament im Januar verfehlt: Ganze drei Stimmen, laut der Kläger sogar nur eine, fehlten für einen Sitz. Der Wahl vorrausgegangen war ein Artikel im Organ des Allgemeinen Studentenausschusses (AStA), dem “basta“, in dem der damalige politische Referent der StudentInnen-Vertretung darüber informierte, daß hinter der Liste Leibniz die „ultrarechte Burschenschaft Germania“ stecke.
Kasus Knaxus ist laut Arne Wiese, dem Sprecher der Hannoverschen Burschenschaft Germania und zusammen mit Reiner Hinterberg Initiator der Klage, nicht, daß über die real existierenden Überschneidungen der Liste mit der Germania berichtet wurde. „Aber wenn Informationen, dann bitte korrekt.“
Ein Auftritt des Wiking-Jugend-Mitgliedes und Nazi-Barden Frank Rennike bei der Germania oder Vortragsabende mit Themen wie „Impressionen einer Grenzfahrt nach Ostpreußen“ wurden im Artikel als Beweis für den angeblichen faschistischen Hintergrund der Liste Leibniz angeführt.
Zu Unrecht, wie Wiese meint: „Sowas ist bei uns nie gelaufen.“ Die Kasseler Germania, nicht die hiesige, habe solche Vortrge veranstaltet und den Nazi-Barden eingeladen.
Diese Negativ-Propaganda aber sei dafür verantwortlich gewesen, daß die entschiedenden Stimmen fehlten, behaupten die von manchen als „germanische Edelnazis“ titulierten Kläger. Der Grundsatz der Chancengleichheit, nachdem der Asta als Exekutive der Wahlen jede Einflußnahme zu unterlassen habe, sei verletzt worden.
Marko Krüger vom trotz allem neugewählten Asta sieht das anders: „Unsere VorgängerInnen haben in den Asta-Organen die Liste neutral vorgestellt. Der Artikel, auf den sich die Burschen beziehen, war namentlich gekennzeichnet, also auf keinen Fall als Asta-Meinung aufzufassen.“
Nachdem eine Anfechtung der Wahl beim Studentischen Wahlausschuß keinen Erfolg hatte, versuchten die Burschen, eine einstweilige Verfügung zu erwirken, um die Wahl vorläufig für ungültig zu erklären. Zwar wurde die abgelehnt – die Burschenschafter machen aber weiter. Angespornt wurden sie von einem Urteil des Berliner Verwaltungsgericht, das eine Wahl für unrechtmäßig erklärte, weil der Asta nach Auffassung des Gerichts zum Boykott der Liste „Arbeitskreis Qualifiziertes Studium“, die dem Verein für Psychologische Menschenkenntnis (VPM) nahe steht, aufgerufen haben soll. Nach eigenen Angaben verfügt auch die Germania Hannover über persönliche Verbindungen zum „Studentenforum“ – einer Liste, die sich vornehmlich aus Mitgliedern des von der ZEIT als „rechte Psychosekte“ bezeichneten VPM rekrutiert und Kritiker Innen regelmäßig mit Klagen überzieht.
Das anstehende Hauptverfahren bringt den Asta in eine Zwickmühle. Marko:“Eigentlich dürften wir nichts mehr tun, solange nicht geklärt ist, ob wir rechtmäßig die Asta-Gelder verwalten. Aber ob die nun einen Sitz im Stupa gehabt hätten oder nicht, hätte nichts an den Mehrheitsverhältnissen geändert.“
Tatsächlich verfügt der Listenverbund, auf den sich der Asta stützt, über eine satte Mehrheit im Stupa. Um soziale Aufgaben wie die Vergabe zinsloser Darlehen oder verbilligter Essen für bedürftige StudentInnen weiter wahrnehmen zu können, macht der Asta trotz der Rechtsunsicherheit trotzig weiter wie bisher.
Nun müssen sich die Burschen den Vorwurf gefallen lassen, im Grunde nur die Arbeit des Asta sabotieren zu wollen, nachdem die politische Einflußnahme via Stupa gescheitert ist. Marko: “Wir sind eher links, die sind rechts. Deshalb diese Retourkutsche.“
Eine Darstellung, der Reiner Hinterberg entschieden widerspricht: „Es geht um eine Grundsatzentscheidung. Wir sind vom Asta benachteiligt worden und glauben nach wie vor, mit dieser Ansicht vor Gericht Erfolg zu haben.“ Schließlich wollen die Leibnizer auch bei der nächsten Stupa-Wahl wieder antreten – möglichst ohne negative Berichterstattung.
Und die Verfahrenskosten muß der Verlierer ja auch noch übernehmen. Angst haben die Kläger vor einem „politischen Urteil“, wie Hinterberg es nennt.
Zudem versuchen sich die Behörden weitgehend aus dem Wust studentischer Differenzen herauszuhalten. Der Bundesrechnungshof etwa weigert sich grundsätzlich, Asta-Finanzen zu überprüfen. Ob das Verwaltungsgericht sich also auf die Beschwerde der Burschen einläßt, ist fraglich. Ohnehin ist wahrscheinlich, da die wohl eher stattfindenden regulären Stupawahlen im Januar 1995 den Ausgang der Klage hinfällig machen.
Für Hinterberg bleibt die Befriedigung, dem Asta wenigstens in die Suppe zu spucken: „Was die jetzt an Kosten und Energie aufwenden müssen, können sie wenigstens nicht in ihre linksradikalen Aktivitäten stecken.“
Lars Reppesgaard
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