: Doswidanja in der Wuhlheide
■ Die Berlin-Brigade der russischen Westgruppe verabschiedet sich am Samstag mit Parade und Fest
Von all den vielen militärischen Übungen, die die Soldaten der russischen Westgruppe in Deutschland auch im Schlaf beherrschen mußten, verlangen die Oberbefehlshaber seit Monaten nur noch die perfekte Inszenierung einer einzigen: der Parade. Beine hoch, fast bis die Sehnen reißen. Morgen findet in Karlshorst die Abschiedsparade der „6. Selbständigen motorisierten Garde-Schützenbrigade“ statt. 1.200 Brigadisten sollen noch in der Garnison in der Wuhlheide stationiert sein, etwa 1.000 von ihnen werden am kommenden Samstag nachmittag marschieren.
Die Parade wird nicht ganz so zivil ausfallen wie die der Westalliierten am vergangenen Wochenende. Denn die GUS-Truppe will zum letztenmal auch ihre Kampftechnik vorführen, zumindest das, was von ihr noch übrig ist. Früher gab es 8.000 sowjetische Schützenpanzer und 4.000 Kampfpanzer in der DDR, angeblich sollen nur noch 41 von ihnen übrig sein, 22 davon stehen auf Denkmalsockeln. Für die Parade in Wünsdorf vor zwei Wochen wurden sie heruntergeholt, jetzt hat der Senat Angst, daß sie am Sonnabend über die Straße gerollt werden. Sie haben nämlich keinen Kettenschutz, reißen also den Asphalt auf. Rollende Panzer an der Wuhlheide könnten das Klima zwischen dem Westgruppen-Oberbefehlshaber M. Burlakow und deutschen Politikern noch frostiger werden lassen, als dies ohnehin schon ist. Auf der Ehrentribüne wird morgen zwar der Regierende Bürgermeister Diepgen sitzen, seine Rede wird er aber unter Ausschluß der Öffentlichkeit bei einem anschließenden Empfang für Burlakow im Roten Rathaus halten. Diepgen, aber auch die Militärs der Westalliierten sind jetzt noch „erstaunt“, daß kein russischer Repräsentant bei der Westparade vergangenen Samstag teilnahm. Erstaunlich daran ist aber nur, daß sie „erstaunt“ sind, schließlich wurden die Russen zur Parade nicht eingeladen.
Weiterer Ärger zwischen Rußland und Deutschland bahnt sich über das Procedere der Abschiedsfeier am 31. August an. Die Deutschen wollen nicht, daß die 6. Schützenbrigade aus Karlhorst Präsident Jelzin und Bundeskanzler Helmut Kohl mit einer Militärparade am russischen Ehrenmal Treptow begleiten. Dafür wollen sie Jelzin zumuten, einen Kranz in der Einheitsgedenkstätte Neue Wache niederzulegen, passenderweise vor der Inschrift „Den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft“. Anita Kugler
Parade: Beginn 11 Uhr entlang der Straße An der Wuhlheide. Ab 12.30 Abschiedsfest mit Auftritt des Tanz- und Gesangsensembles der WGT im Freizeitpark Wuhlheide.
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