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SanssouciNachschlag

■ Theater Thea-Tüt adaptierte Becketts "Murphy"

Vorsicht Murphy, Seele im Anmarsch! Foto: Marcus Lieberenz

Einer flog über das Treptower Parkhaus, hätte das Stück heißen können, der Titel ist jedoch: Schachmatt. Das führt buchstäblich in die Irre. Es handelt sich um eine Adaption des Romans „Murphy“ von Samuel Beckett, die sich das Theater Thea-Tüt vorgenommen hat, eine Gruppe, die sich nach der Wende aus dem ehemaligen Pantomimentheater vom Prenzlauer Berg und dem Modetheater „The Tailors“ formierte und sich dem nonverbalen Bewegungstheater verschrieben hat.

Der kleine Theaterraum ist mit zwei Tüchern abgehängt, auf einer dreieckigen Fläche wird gespielt. Murphy (Birger Markuse) starrt mit irrem Blick in den Zuschauerraum und macht die Bewegungen eines Autisten. Durch die Tücher wird die Hinterbühne sichtbar, wo eine Figur im Schaukelstuhl sitzt. Bei Beckett ist dies der erlösende Ort für Murphy, der sich zwischen Phlegma und innerer Zerrissenheit hin und her schaukelt. Hier ist es eine Gestalt im enganliegenden und leicht zerfetzten Batikkostüm, die sich schüttelt und Murphys Seele symbolisiert, wie Regisseurin Irina Kowallik später erläutert. Paare treten auf, dann Celia im roten Gewand (Steffi Scarlett), seine Geliebte, die ihn zur Arbeit zwingen wird, um selbst nicht mehr auf den Strich gehen zu müssen. Die nonverbale Umsetzung gerät ab diesem Moment vollends zur Farce. Sie zerrt an ihm herum, dann soll's erotisch werden, und die beiden rollen ein wenig über den Bühnenboden – der Geschlechtsakt als Welpennummer. Beckett als infantiles Psychodrama wird hier gegeben, narzißtische Innerlichkeit statt Existentialismus. Die Psychiatrie, in der Murphy Arbeit als Pfleger findet, wird durch in Weiß gekleidete DarstellerInnen symbolisiert. Eine geht immer an der Wand lang, andere starren ihre Hände an, zucken. Der schachspielende Mr. Endon, der schizophrene Patient und Alter ego Murphys, wird von Annett Winkler verkörpert. Sie ist die Ausnahme an diesem Abend, sowohl schauspielerisch als auch bewegungstechnisch.

Nach Murphys unfreiwilligem Ende durch eine Gasexplosion, die man in dieser Adaption ausläßt, wird seine Asche verstreut: bei Thea-Tüts reibt sich eine leidende Celia dieselbe ins Gesicht. In Becketts Text wird dann noch das letzte Gut in einer Kneipe als Wurfgeschoß zweckentfremdet. Dies nur nebenbei, um an die überaus witzigen Passagen der Vorlage zu erinnern, die hier offenbar gänzlich überlesen wurden. Wenn wenigstens das Original in der Fälschung gar nicht mehr erkennbar gewesen wäre! Ach, glückliche Tage, wenn man in seinem Schaukelstuhl alleine diesen Roman lesen kann. Caroline Roeder

Bis 9.7., Mi.–Sa., 20 Uhr, Parkhaus Treptow, Puschkinallee 5.

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