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„Die SPD ist endlich aufgewacht“

■ Joschka Fischer über Rot-Grün nach dem SPD-Parteitag

taz: Herr Fischer, SPD- Kanzlerkandidat Scharping hat sie gestern auf dem SPD-Parteitag zitiert: „Der Kohl muß weg.“ Regieren will er nicht mit Ihnen.

Joschka Fischer: Warten Sie es ab. Wenn die Mehrheit für Rot- Grün da ist, wird Rudolf Scharping Rot-Grün machen. Was denn sonst?

Und sie glauben, daß Scharping jetzt kämpferisch bleibt? Das war ja bisher nicht sein Stärke.

Kohl ist nur wegzubekommen, wenn man klar die Alternative formuliert. Kohl muß abgewählt werden. Abwählen heißt die Parole der Opposition. Kohl muß weg. Wenn Scharping den Stil von gestern durchhält, und das traue ich ihm zu, haben wir gute Chancen. Ich bin heilfroh, daß die SPD endlich aufgewacht ist.

Aber wenn die SPD sich reformerisch gibt, den ökologischen Umbau wieder in ihr Credo aufnimmt, appelliert sie ganz stark an Grün-Wähler. Macht das Ihrer Partei keine Schwierigkeiten?

Das macht keine Schwierigkeiten. Natürlich sind wir Konkurrenten. Aber entscheidend ist, daß Kohl abgewählt wird. Wir haben keine Angst vor einer mobilisierten SPD. In dem Moment, wo die Ablösungsperspektive da ist, wird das nur gut für uns. Das mobilisiert unsere Wähler. Die Garanten des Wechsels und der ökologischen Erneuerung sind schließlich die Grünen. Wir haben in den letzten Monaten die Flagge für eine ökologisch-soziale Reformpolitik hochgehalten: in der Frage Atomausstieg, in der Frage Mineralölsteuererhöhung, in der Ausländerpolitik und bei der Abwehr des Lauschangriffs, das sind doch wir. Und in einer gemeinsamen Regierung werden wir dafür sorgen, daß es in der SPD nicht bei Sprüchen bleibt.

Im Saarland hat Oskar Lafontaine mit der Ankündigung ökologischer Reformen die Grünen schon einmal bei einer Wahl ins Abseits gedrückt.

Davor habe ich heute keine Angst. Damals waren die Grünen im Saarland selbst schuld. Lafontaine hat uns als Oppositionsführer die rot-grüne Koalition angeboten, die saarländischen Grünen haben sie unter dem Einfluß der Hamburger und Frankfurter Fundamentalisten abgelehnt. Und prompt blieben sie unter fünf Prozent. Hätten sie damals angenommen, wären sie in den Landtag gekommen und mit in der Regierung gewesen.

Und so was ist heute ausgeschlossen?

Das gibt's heute nicht mehr. Wenn wir für die ökologisch-soziale Reformpolitik eine Mehrheit bekommen und sich dieses im Regierungsprogramm niederschlägt, machen wir eine Regierung mit. Dafür haben wir in der Partei eine übergroße Mehrheit. Wir haben die Chance, den Wind des Wechsels aufkommen zu lassen, der Kohl wegblasen wird.

Soviel Hoffnung nach dem SPD-Parteitag?

Der SPD-Parteitag reicht natürlich nicht, aber er ist der Startschuß für einen heißen Wahlkampf.

Und wenn das Ergebnis bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am Sonntag nicht gut ist?

Wir schauen uns das Ergebnis an und werden dann, egal wie es ausschaut, kämpfen und noch mal kämpfen für die ökologische und soziale Erneuerung dieses Landes. Interview: Hermann-Josef Tenhagen

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