: Hauptschweine 1,2 und 3
■ Bruno S. stellt Zeichnungen in der endart-Galerie aus
Einer breiteren Öffentlichkeit ist Bruno Schleinstein alias Bruno S. durch die Werner-Herzog-Filme „Jeder für sich und Gott gegen alle“ und „Stroczek“ bekannt. Nach einem Streit aufgrund eines Artikels in Andy Warhols deutscher Ausgabe des Interview zerbricht die Freundschaft zwischen Regisseur und Hauptdarsteller. Herzog hatte die Interviewer vorher gewarnt, Bruno S. sei „oft betrunken und daher unberechenbar“. Bruno wertete dies als Versuch, ihn von gesellschaftlichen Kontakten zu isolieren.
Dem Berliner Hinterhofpublikum jedenfalls bleibt er durch seine musikalischen Intermezzi an Wochenende und Feiertagen erhalten. Seit 1955 begleitet er seine Moritaten mit dem Akkordeon oder mit einem Schlaginstrument, das er „Schelester“ nennt. 1970 begann Bruno, Zeichnungen herzustellen, die in direktem Zusammenhang mit seiner Musik stehen: Gemalte Lieder. So wird etwa „Mamatschi, schenk mir ein Pferdchen“ in vier Episoden visualisiert. Der Traum vom Glück: Mama und der Knabe streicheln drei Fohlen, auf denen die Wörter „Glaube“, „Liebe“, „Hoffnung“ zu lesen sind. Auf weiteren Gemälden werden die sich wiederholenden Enttäuschungen des jungen Bruno gezeigt: Ein Weihnachtsmann in braunem Mantel hat ihm ein Marzipanpferdchen geschenkt; die wohlwollend grinsenden Eltern überreichen ihm dagegen lächerliche Pferdchen aus Holz. Das letzte Bild zeigt eine Kutsche, von echten Gäulen gezogen. Die Kutsche trägt einen Sarg. In den Bildern wie in den Liedern sieht sich Bruno S. unmittelbar verstrickt in die Gesichte des Alltags: Als jüngstes Kind ungewollt, ungeliebt und abgeschoben – den Vater bezeichnet er nur als seinen „Erzeuger“ – wird er 1948 im Wiesengrund Wittenau interniert, wo er 1955 „jetürmt“ ist.
Seine Zeichnungen zeigen oft theaterhafte Szenarien von beklemmender Wirkung. Die Umwelt stellt er als feindlich und gewalttätig dar. Titel sind zum Beispiel: „Die Rache des schwarzen Peter“, „Undine, heimatlos“, oder „Es nähern sich die Feiertage“, genau jene Tage, an denen Bruno S. seine Einsamkeit besonders stark empfindet. Anfänglich erschien er selbst auch oft geisterhaft in der oberen Bildhälfte. Es ist ihm wichtig, „Träume und Visionen“ zu zeigen. Mittlerweile, technisch versierter, gibt er sich Themen hin, deren Inhalte zusehends politisch ins Grobe gehen. Blanker Haß und Ekel gegenüber der verlogenen heilen Welt. Da wird etwa Kinkel als stinkender Lügner mit „kurzen Beenen“ gezeichnet.
Ein Bild über die Traumfabrik des SFB trägt den Titel: „In der Masurenallee steht ein Haus, da kieken die Säue zum Fenster hinaus.“ Im Sendegebäude des SFB sitzen Schweine im Fenster, mit dem Allerwertesten zum Betrachter geneigt. Die Hauptschweine – mit 1, 2 und 3 beziffert – sind Lutz Eisholz, „Biggi“ Mira und Werner Herzog. Links daneben „fleezen sich deren Mutti und Vati in der Suhle“. Die Namen werden nicht genannt, „weil das schon wieder Reklame für diese Leute wäre“. Das grenzt arg an Blalla W. Hallmann. Brigitte Mira taucht auch auf einem Bild von 1981 als Salomé mit dem Kopf eines Opfers auf. Die Schaupielerin und „Berufsberlinerin“ hatte sich während der Dreharbeiten zum „Kaspar-Hauser“-Film „als was besseres gefühlt und jeschämt“, mit einem Laiendarsteller, der hauptberuflich Gabelstaplerfahrer bei Borsig ist, zu arbeiten. Lukas Hutkaeufer
Bis 30.6, täglich 14-19 Uhr, endart, Oranienstraße 36, Kreuzberg.
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