Unbestechlich, liberal

■ Der ehemalige CDU-Bausenator Ulrich Rastemborski starb im Alter von 54 Jahren

Er gehörte nicht zur Berliner Betonriege der CDU-Riege. Jener Riege, die den Fluchthilfeasta der frühen sechziger Jahre bildete, später die Fluchthilfe im kommerziellen Milieu fortsetzte und dann, als die Zeitläufte es ermöglichten, im Fahrwasser des seriös wirkenden Richard von Weizsäcker, der die abgewirtschaftete SPD als Regierender Bürgermeister beerbte, im Laufe der achtziger Jahre in der CDU die Macht und damit die (geteilte) Stadt übernahm. Sie ließen es ihn spüren, daß er nicht zu ihnen gehörte. Als von Weizsäcker das Berliner Feld für die Betonriege räumte, war die politische Karriere des gläubigen Katholiken Rastemborski unwiderruflich beendet.

Dabei hatte er maßgeblichen Anteil daran, daß die Berliner Anfang der achtziger Jahre die CDU, die einst eine 25-Prozent-Partei gewesen war, für regierungsfähig hielten: Er hatte engagiert, mit Sachverstand und ohne Angst vor eigener Verstrickung den Garski- Untersuchungsausschuß geleitet und dabei ein Sittengemälde der Berliner Günstlings- und Vetternwirtschaft mitgezeichnet, die entstanden war unter mehr als 30jähriger sozialdemokratischer Herrschaft in der von öffentlichen Fördermillionen geprägten westlichen Halbstadt. Garski hatte mehr als 100 Millionen öffentlich abgesicherte Mark in den Wüstensand gesetzt, das (arme) Land Berlin durfte zahlen. Berliner Politiker und Staatsbanker hatten ihn begünstigt, obwohl er schon lange nicht mehr kreditwürdig war. Rastemborski öffnete mit dem Untersuchungsausschuß den Blick in die Welt der Senatsempfänge, auf denen Steuergelder verschleudert wurden. Und er nahm – als Neuköllner Abgeordneter der CDU – im Wahlkampf 1981 vorsichtig die Kritik an der herrschenden Stadtentwicklungspolitik auf, die die Innenstädte verödete und ganze Altbauquartiere auf Abbruch orientierte, während die Trabantenstädte emporwuchsen. Die Hausbesetzer, die allen (Alt-)Parteien fremd waren, interessierten ihn, Law-and-order-Parolen hat man von ihm nie gehört. Bereits vor dem Wahlsieg Richard von Weizsäckers im Mai 1981 erschien er bei öffentlichen Diskussionen mit Sympathisanten der Hausbesetzer und ließ immerhin – für die CDU bis dahin undenkbar – ein Interesse am Stopp der Abrißpolitik und der Integration des Hausbesetzerprotestes erkennen.

Seine Berufung als Bausenator in den Weizsäcker-Senat löste gleichwohl Überraschung aus. Denn er war für die herrschende politische Kaste in der CDU eigentlich nicht tragbar: Er war unbestechlich. Er sprach mit „Investoren“ nicht unter vier Augen, ließ Geschenke, die bei ihm „vergessen“ worden waren, sofort zurückgehen. Er verstand sich als „Staatsdiener“ in einem überkommenen Sinn, und er wollte demokratische Willensbildungsprozesse auch bei der Stadtentwicklung. Die herrschenden Kreise der CDU hingegen mochten nach jahrzehntelanger Abstinenz von der politischen Macht nun auch daran verdienen. Das Hausbesetzerproblem diente ihnen ausschließlich als Mittel, die Law-and-order-Klientel zu bedienen. Lummer, der Häuser räumen und sich dabei als Sieger feiern ließ, war Rastemborskis großer Gegenspieler im Senat und ließ ihn mehrfach als wortbrüchig erscheinen. Der Zwiespalt zwischen der öffentlich propagierten Wende in der Stadtentwicklungspolitik und dem Druck des rechten Mobs seiner Partei, Tabula rasa durch flächendeckende Häuserräumungen zu machen und die Berliner Wohnungsbauförderung unter Parteifreunden aufzuteilen, rieb ihn auf. Er floh aus dem Amt, länger als eine Woche suchte die Berliner Öffentlichkeit den verschwundenen Senator. Rastemborski wollte nach seiner Rückkehr nicht fern der Politik stehen. Aber in der von-Weizsäcker-freien CDU gab es an ihm kein Interesse mehr, nicht als Kandidat für das Abgeordnetenhaus, nicht als Bundestagsabgeordneter und auch nicht als Europaabgeordneter.

Er starb, völlig überraschend, in der Nacht zum Freitag an einem Herzinfarkt. Er hat bis zum letzten Tag als Anwalt gearbeitet, wie ihn seine Mandanten und Freunde kannten: Hastig, schnell, effektiv, ein wenig unbeholfen und doch präzise und einnehmend. Er brannte so schnell wie die zahllosen Zigaretten, die er täglich rauchte. Leider nur 54 Jahre lang. Jony Eisenberg