■ Ward der Regierende erleuchtet?: Wunder über Wunder
Das würde den armen Teufeln von Hertha BSC an einem Samstag mittag auch mal wieder gefallen: volles Haus im Olympiastadion (Wunder 1), 80.000 Fans, die singen und jubilieren, die mit entrückten und entzückten Gesichtern auf den Bänken tanzen. Das hat dem armen Teufel Eberhard Diepgen am Samstag mittag ganz prächtig gefallen: Da streckt er seine Nase ins berstvolle Olympiastadion, und keiner pfeift ihn aus (Wunder 2).
Ganz klar, das kann kein Fußballspiel gewesen sein. Politiker nämlich sind dort nicht gern gesehen. Was aber bedeutete das Transparent „Düsseldorf für Jesus“ auf der Tribüne, von wo sonst bestenfalls der Ruf „Basler für Berti“ ertönt?
Die Christen waren los, ogottogott. Lauter Simpel mit Gitarren und Zimbeln. Mit Kreuzen auf dem Buckel zogen sie übern Ku'damm, und wer bei dem Plakat „Recycle dein Leben“ noch an eine „Greenpeace“-Ökodemo gedacht haben mag, ging irre. „Der Herr errettet uns!“ Wer's glaubt, wird selig.
Diepgen glaubt's. Da mögen die offiziellen Kirchen noch so warnen vor den religiösen Fanatikern und deren „Mißbrauch des Glaubens Jugendlicher“ – der Regierende fühlt sich wohl unter Sektierern und Exorzisten, und er sprach zu denen, die seine heckelmanngeprügelten Narben balsamieren und psalmodieren. Und sie erhörten ihn. Ein „Herr sein bei uns“ und ein „Vaterunser“ nach dem anderen „für den Berliner Senat und daß er die Krise überwindet“ wurde gebetet, ein wahrer Marathon der Lobpreisung – und siehe, es geschah ein Wunder (Nummer 3), halleluja!, und Sankt Eberhard ist heute immer noch im Amte. Jesusmariaundjosef!
Bliebe auch für aufrichtige Agnostiker noch zu hoffen, daß der Heilige Geist in ihn gefahren ist und den Regierenden erleuchtet hat: wie Paulus ein Fels, auf dem eine blühende Hauptstadt gebaut wird; wie Salomon so weise; ein Hirte, der die Armen speist und lahmen Abgeordneten Beine macht. Allein, es fehlt dann doch der Glaube! Herr Thömmes
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