: Wasserwerfer kühlten Demonstranten
In brütender Hitze zogen rund 80.000 KurdInnen am Samstag friedlich durch Frankfurt, um gegen die Politik der türkischen Regierung zu protestieren / Trotz Verbots konnte Polizei nichts gegen Kinder mit PKK-Wimpeln ausrichten ■ Aus Frankfurt/Main Heide Platen
Glühende Hitze, rote Staubwolken hängen über dem Frankfurter Rebstock-Gelände. Im Schatten der Reisebusse aus Deutschland, den Niederlanden, Belgien und Frankreich lagern am Samstag vormittag Familien, die schon nachts aus ihren Wohnorten aufgebrochen sind. Und es werden immer mehr. Gegen Mittag setzt sich nicht nur die größte kurdische Demonstration in Bewegung, sondern die größte, die die Stadt am Main je gesehen hat. Die Zahl der TeilnehmerInnen wird anfangs von der Polizei auf 40.000, dann auf die 50.000 geschätzt. Zwei Stunden später, der Zug wälzt sich dreieinhalb Kilometer lang durch die asphaltheißen Straßen, reden die Veranstalter von 100.000, 80.000 sind es gewiß gewesen. – Hans Branscheidt von medico international wird brausend umjubelt, als er feststellt: „So viele Menschen verschiedener Herkunft und unterschiedlicher Abstammung“ seien hier noch nie zusammengekommen. Die Kritik daran, daß sich der Zug wenig publikumswirksam durch leere Straßen im Gewerbegebiet schlängelt, ist, meinen die Veranstalter, medico international und die beiden Anwälte Elard Biskamp und Ernst Ronte, nicht auf die Böswilligkeit der Stadt zurückzuführen. Alle anderen Plätze hätten die Menschenmenge nicht fassen können, und in der Innenstadt waren für dieses Wochenende schon langfristig Jubiläumsspektakel zum 1200-Jährigen der Stadt angemeldet. Die Auflagen allerdings sind hart und ein Streitpunkt. Blockbildung hatte die Polizei verfügt und vor allem das Verbot von Bildern des PKK-Mannes Abdullah Öcalan und der PKK-Fahne.
Das allerdings ist schwer durchzusetzen. Da sind die vielen Kinder, die mit den inkriminierten Papierfähnchen wedeln. Die Polizeiführung moniert, 3.000 Polizisten versuchen sich in Seitenbegleitung. Die kurdischen Ordner intervenieren bei ihren eigenen Leuten und sind nicht zimperlich. Da ballte manch einer die Faust in der Tasche, während er die PKK-Fahne zusammenrollte: „Wenn die bei den Neonazis auch so genau auf die Symbole achten würden, dann würde ich ja gar nichts sagen.“ Ein anderer meint, daß dieser Vergleich „mächtig hinkt“.
Die Parolen für „APO“ Öcalan sind laut, die gegen die türkische Regierung noch lauter. Transparente und Plakate forden eine „friedliche Lösung des Kurdenproblems“. Hans-Otto Wiebeus vom Bundesvorstand der IG Medien hatte zuvor gesagt: „Es gibt kein Kurdenproblem!“ Das Problem sei die Türkei. Von der Bundesrepublik, Europa, den USA wird eine „internationale Ächtung“, die Einstellung der Militärhilfe für die Türkei verlangt. In der Pressemappe, die schon mittags vergriffen war, sind die Toten, die Verschwundenen, die Gefolterten, die Geflüchteten, die zerstörten Dörfer, erschütternd schon durch die akribische Reihenfolge, aufgelistet.
Die Veranstaltung sei ein großer Erfolg, stärke das Selbstbewußtsein und das Gemeinschaftsgefühl der Kurden. Kurdistan ist, erklärt eine junge Frau schwitzenden Journalisten, in den nördlichen Bergen manchmal bitter kalt, an den Südhängen aber kann die Temperatur bis auf 45 Grad steigen. Und „Wasser“ heißt auf kurdisch „Av“. Anwohner reichten es den durstenden Demonstranten aus dem Fenster und ein Wasserwerfer besprühte sie auf eigenen Wunsch. Zwanzig Busse sind an den Grenzen festgehalten worden, vier Festgenommene werden noch am Abend wieder freigelassen.
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