Ozon läßt wieder mal kein Auge trocken

■ Tränenreiz und Kopfschmerzen wegen hoher Ozonwerte / Bündnis 90/Grüne fordern Einschränkung des Autoverkehrs

Birgit H. stand am Sonntag fast eine halbe Stunde in der gleißenden Sonne an der Kasse des Prinzenbades in Kreuzberg. Als sie dann endlich im Halbschatten lag, fing sie an zu weinen. Es war aber nicht die Vorfreude auf das kühlende Naß, die ihr die Tränen über die Wangen laufen ließ, sondern die Ozonkonzentration, die gegenwärtig mit der Hitze steigt.

Jedes Jahr spielt sich in den „ozonverdächtigen“ Sommermonaten das gleiche ab: Tränenreiz, Kopfschmerzen und sogar Atembeschwerden machen den Menschen zu schaffen. Verantwortlich für diese vorhersehbare „Sommertortur“ ist nach Meinung von Bündnis 90/Die Grünen die „verfehlte Politik“ des Senats. Zwei Drittel der Vorläuferstoffe des Ozon entstammten dem zunehmenden Autoverkehr, so deren verkehrspolitischer Sprecher Hartwig Berger. Jährlich steige deshalb die Ozonkonzentration um sechs bis sieben Prozent, weiß Berger. Als „umweltpolitische Bankrotterklärung ersten Ranges“ bezeichnete er gestern die fehlende Bereitschaft des Senats und der Brandenburger Landesregierung, Fahrbeschränkungen bei Sommersmog zu erlassen, die auch der Verkehrsclub Deutschland fordert. Nach einem Gutachten, das die Fraktion bereits im letzten Jahr beim Öko-Institut Freiburg – das auch am Heilbronner Modellversuch in der vergangenen Woche beteiligt war – in Auftrag gab, könne durch Verkehrsbeschränkungen die Ozonbelastung in Berlin um bis zu 30 Prozent gesenkt werden. Deshalb fordern sie Fahreinschränkungen bei 0,18 Milligramm pro Kubikmeter, Geschwindigkeitsbeschränkungen auf allen Autobahnen von 100 km/h und auf Stadtautobahnen von 60 km/h und. Außerdem sollen Berlin und Brandenburg einen Modellversuch wie in Heilbronn vorbereiten.

Staatssekretär Lutz Wicke (CDU) von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz ist zwar auch der Meinung, daß der Stadtverkehr einer „der entscheidenden Faktoren“ für hohe Ozonkonzentrationen ist, aber einen Modellversuch wie in Heilbronn, dessen Erkenntnisse „alte Hüte“ seien, könne man sich sparen. Seine Senatsverwaltung hat vorige Woche gemeinsam mit dem Land Brandenburg ein Programm gestartet, das den Anteil von „hausgemachtem“ Ozon und den von Fernverkehr untersuchen soll. Tageweise Sofortmaßnahmen, wie von Bündnis 90/Die Grünen gefordert, seien allerdings „ungeeignet“ und könnten sogar zu einem „Ozonanstieg im Zentrum“ führen, so Wicke. Das Öko- Institut kam in seiner Untersuchung vom letzten Jahr dagegen zu dem Schluß, daß „Ozonspitzenkonzentrationen durch verkehrsbeschränkende Maßnahmen auch kurzfristig wirksam reduziert werden können“.

Birgit H. jedenfalls wird zumindest noch bis zum nächsten Sommer leiden müssen. Wenn das Bundeskabinett zustimmt, gelten bundesweit ab 1995 schärfere Grenzwerte. Ab 1998 dürften dann nur noch schadstoffarme PKWs und LKWs in Berlin fahren. Barbara Bollwahn