piwik no script img

Giftwaggon vor Lausanner Bahnhof entgleist

■ Bewohner der Westschweizer Stadt entgehen nur knapp einer Katastrophe

Lausanne (dpa/AP) – Die Westschweizer Stadt Lausanne ist gestern nach einem Zugunglück nur knapp einer Katastrophe entgangen. Gegen 3 Uhr morgens entgleisten 200 Meter vom Bahnhof entfernt vierzehn Waggons eines Güterzuges mit vierzig Wagen, der aus Basel kam. Sieben stürzten um, davon zwei Kesselwagen mit 80.000 Litern der giftigen und unter Hitzeeinfluß leicht entzündlichen Chemikalie Epichlorhydrin, die bei der Herstellung von Klebstoffen verwendet wird.

300 bis 400 Liter der Flüssigkeit gelangten in die Kanalisation, so daß lange Zeit Explosionsgefahr bestand. Die Polizei evakuierte tausend Menschen aus Bahnhofsnähe. Drei Schulen in der Umgebung blieben gestern geschlossen.

Am Unglücksort waren mehrere hundert Feuerwehrleute und Polizeibeamte im Einsatz. Die Feuerwehr dichtete zunächst die Lecks in den zwei Kesselwagen provisorisch ab, bespritzte die Waggons wegen Explosionsgefahr mit Wasser und pumpte dann das Epichlorhydrin vorsichtig um.

Epichlorhydrin ist ein chemisch-technisches Produkt, das in der Schweiz zur Giftklasse 1 gehört, der obersten Gefahrenstufe. Es wird in Monthey für die Herstellung des Klebstoffs Araldit verwendet. Der Stoff wirkt ätzend und kann allein schon durch heiße Oberflächen zur Explosion gebracht werden, wie beim Schweizerischen Toxikologischen Informationszentrum in Zürich auf Anfrage zu erfahren war.

Ursprünglich war Epichlorhydrin vom Schweizer Bundesamt für Gesundheitswesen nur in die Giftklasse 3 eingeteilt worden. Nachdem es sich aber im Tierversuch als krebsverursachend erwiesen hatte, wurde es in Giftklasse 1 aufgenommen. Epichlorhydrin ist eine farblose Flüssigkeit, die einen chloroformähnlichen, süßlichen Geruch aufweist. Bei der Geruchswahrnehmung ist die Gesundheitsschädigung meist schon eingetreten. Es handelt sich um eine giftige und entzündbare Flüssigkeit, deren Flammpunkt bei 28 Grad liegt. An heißen Tagen und bei starker Erwärmung bilden sich explosionsfähige Gemische. Die Entzündung kann bereits durch heiße Oberflächen erfolgen. Bei einem Brand bilden sich ätzende und hochgiftige Chlor- und Chlorwasserstoffgase. Epichlorhydrin sinkt ab und vermischt sich langsam mit der sechzehnfachen Menge Wasser. Auch bei großer Verdünnung bildet sich noch eine giftige und ätzende Mischung.

Im Ciba-Geigy-Werk Monthey ist Epichlorhydrin ein in großer Menge verwendeter Rohstoff. Der Direktor des Werkes, Jürg Herold, sagte, daß jedes Jahr Tausende von Tonnen Epichlorhydrin dort verarbeitet würden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen