Die Twenty-Pence-Story

■ Mit Dumpingpreisen will der englische Medienzar Rupert Murdoch den britischen Blätterwald lichten

Dublin (taz) – Der Zeitungskrieg in Großbritannien, der im August letzten Jahres mit einer Preissenkung der Times auf 30 Pence (ca. 75 Pfennig) begonnen hatte, ist in der vergangenen Woche eskaliert. Medienzar Rupert Murdoch drückte den Preis der Times weiter auf 20 Pence (rund 50 Pfennig), nachdem der Daily Telegraph einen Tag zuvor von 48 auf 30 Pence (rund 75 Pfennig) heruntergegangen war. Der Preiskrieg gehört zu Murdochs langfristiger Strategie, die Auflage des Blattes auf eine Million zu steigern und lästige Konkurrenten in den Ruin zu treiben. Murdoch hat prophezeit, daß der britische Markt auf Dauer nur drei Zeitungen trage: die Times sowie die beiden Boulevardblätter Daily Mail und Sun. Letztere gehört auch zur Murdoch- Gruppe und kostet 20 Pence – genausoviel wie die Times.

Der Kampfpreis brachte der Times aber bisher lediglich 150.000 neue LeserInnen, die Auflage liegt bei gut einer halben Million. Leidtragender war vor allem der Daily Telegraph, der wie die Times weit rechts angesiedelt ist. Seine Auflage rutschte erstmals unter die Millionengrenze. Der Verleger Conrad Black antwortete deshalb nicht nur mit der Preissenkung, sondern auch mit einem weiteren Rechtsruck: Er ernannte den erzkonservativen Kolumnisten Simon Heffer zum stellvertretenden Chefredakteur.

Aufgrund des Machtkampfes sind nun auch Börsenkurse der Zeitungsverlage in den Keller gepurzelt. Am schlimmsten erwischte es den Telegraph, dessen Aktien um zwei Pfund auf 349 Pence fielen. Noch im Mai hatte Black ein bedeutendes Anteilpaket zum Spitzenpreis von 587 Pence abgestoßen. Die Londoner Börse leitete deshalb am Wochenende eine interne Untersuchung ein. Black beteuerte, er habe damals nicht gewußt, daß eine Preissenkung – mit folgendem Kursverfall – unausweichlich sein würde. „Das wäre genauso bescheuert wie unehrlich von mir gewesen“, sagte er. Genau das werfen ihm seine Kritiker aber vor.

Als erster wird der Independent bei dem Zeitungskrieg auf der Strecke bleiben. Sein Chefredakteur Andreas Whittam Smith warnte: „Murdoch und Black geht es um Kontrolle. Meinungsvielfalt und liberale Werte sind ihnen egal.“ Der Independent machte bei der Schlacht um LeserInnen halbherzig mit: Er senkte den Preis am Donnerstag ebenfalls auf 20 Pence – allerdings nur für diesen Tag. Danach kostete das Blatt wieder 50 Pence. Die Verluste des Independent liegen bei einer Million Pfund im Monat. Erst im März konnte sich die Zeitung vorerst aus der Pleite retten, als ein Konsortium unter Führung der Mirror- Gruppe, das bereits 47 Prozent der Independent-Anteile kontrollierte, für 74,7 Millionen Pfund die Aktienmehrheit übernahm. Wichtigste Partner in dem Konsortium sind die italienische La Repubblica und die spanische El Pais. Nach der Übernahme gingen die Verkaufszahlen um zwei Prozent auf 277.000 Exemplare hoch – kein Grund zur Freude, verkaufte der Independent doch 1989 noch mehr als 420.000 Stück.

Der neue Herausgeber, Mirror- Chef David Montgomery, führte beim Independent teilweise Boulevardmethoden ein: Die Überschriften wurden schriller, es gab Gutscheine für eine kostenlose Sonntagsausgabe sowie „Sammelpunkte“, mit denen man zehn Jahre Steuerfreiheit gewinnen konnte. Die Angestellten des Independent befürchten nun, daß Montgomery auch bei Stellenkürzungen Boulevardmethoden anwenden und sich genauso rücksichtslos durchsetzen werde wie bei seiner Mirror-Übernahme. Immerhin sechs Millionen Pfund will Montgomery beim Independent im Jahr einsparen. 40 offene Stellen sollen eingefroren, die Zahl der Beiträge freier JournalistInnen um 15 Prozent gekürzt und Aushilfskräfte entlassen werden. Weitere sechs Millionen Pfund Ersparnis soll der Umzug nach Canary Wharf im ungeliebten Londoner Ex-Hafen bringen. Dort sitzt auch der Mirror. Montgomery will das Archiv des Independent dichtmachen, statt dessen sollen die JournalistInnen das Mirror-Archiv mitbenutzen. Die Journalisten-Gewerkschaft hat die Maßnahmen verurteilt: Sie seien „unvereinbar mit der grundlegenden Prämisse, eine Zeitung von höchster Qualität zu produzieren“. Wenn der Independent trotz der Kürzungen dem Preiskrieg zum Opfer fallen sollte, wird ihn bald möglicherweise niemand mehr vermissen. Ralf Sotscheck