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In BSR-Plänen ist der Wurm drin

■ Müllmänner planen weitere Kompostierungsanlagen, obwohl Sinn und Nutzen unklar sind / Mögliche Eigenkompostierung wird vom Senatsbetrieb vernachlässigt

Hausmüll besteht bis zu 30 Prozent aus organischen Stoffen. Bisher landete dieser zusammen mit dem anderen Müll auf der Mülldeponie oder in der Müllverbrennung. Dennoch bestehen gegen Kompostierung nach Meinung von Manfred Heyden, Mitarbeiter im Kreuzberger Stadtbüro, enorme Vorbehalte: „Zieht doch Ratten, Mäuse und Ungeziefer an. Und stinken tut's auch noch.“ Mit diesen Vorurteilen hätten die Mitarbeiter des Stadtbüros in der Dresdener Straße ständig zu kämpfen, wenn sie versuchen, Mieter von den Vorteilen der Eigenkompostierung zu überzeugen.

„Erste Voraussetzung ist immer, daß die Hausverwaltung der Aufstellung einer Komposttonne zustimmt“, so Manfred Heyden. Danach werden den Mietern, die Interesse an der Eigenkompostierung haben, Haushaltssammeleimer zur Verfügung gestellt.

Viel Zeit koste die Kompostierung nicht: „Ungefähr eine Arbeitsstunde monatlich benötigt ein Eigenkompostierer.“ Das funktioniere aber nur, wenn ausschließlich kompostierbare Stoffe wie Gartenabfälle, kleingehäkselte Äste, Pflanzen und Blumen, Gemüse-, Obst-, Kaffee- und Teereste sowie Eierschalen hineingeworfen würden. Hingegen, so warnt Heyden: „Gekochte Essensreste, Käse, Wurst, Brot oder gar Katzenstreu schmeckt den Würmern nicht, so etwas sollte deshalb nicht eingefüllt werden.“

Einmal in der Woche müsse der Kompostierer belüftet und durchmischt, vierteljährlich umgesetzt werden, das sei aber alles schon in der monatlichen Stunde berücksichtigt, so Heyden.

„Für die Stadt empfehlen sich kastenförmige, geschlossene Geräte, die zudem noch sehr stabil sein müssen, da Kinder sie oft als Turngerät benutzen und Ratten gerne an die Abfälle gehen.“ Vorteile dieses geschlossenen Systems seien die weitgehende Unabhängigkeit von Witterungseinflüssen und die Geruchsarmut. So könnten sich auch Kompostmuffel nicht beklagen.

Stiftung Warentest warnt vor Schnellkauf

Michael Koswig, Redakteur im Ressort Umweltschutz bei der Stiftung Warentest, warnt allerdings vor dem übereilten Kauf einer Eigenkomposttonne. Wie ein Test im Juniheft zeigte, „halten viele der Komposter nicht, was sie versprechen. Weder sind sie besonders stabil noch besonders wärmespeichernd. Im Winter wird die Kompostmasse meist zu einem Eisklumpen, obwohl vorher mit dem Versprechen geworben wurde, daß gedämmt, geschlossene Systeme die Kälte abhalten würden.“ Für kleine Gärten würden sich die Testsieger aber allemal eignen und zudem gegenüber dem Komposthaufen Schutz vor Ratten und Mäusen bieten.

Koswig glaubt, daß sich die Systeme, ökologischen Müll weiterzuverwerten, ergänzen müßten. Die Biomülltonne sei in dichtbesiedelten, innerstädtischen Bereichen sinnvoll, die Eigenkompostierung in Gegenden mit Gärten.

Beim Aktionszentrum Umweltschutz ist Mitarbeiter Eckhart Kornejew zwar für die Eigenkompostierung in begrünten Hinterhöfen, sieht aber auch die Akzeptanzschwierigkeiten in der Bevölkerung. „Schon aus psychologischen Gründen muß der Biomüll in geschlossenen Systemen verwahrt werden.“ Größtes Problem für ihn sei die Wartung, da die Mieter nach kurzer Zeit schon keine Lust mehr hätten, sich um das richtige Mischverhältnis oder die Belüftung zu kümmern.

Thomas Schwilling, tätig in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz, verweist gerne auf das Senatsprojekt zur Eigenkompostierung in gartenreichen Gegenden Berlins. Dort habe man Servicestationen, bei denen man Informationen und Geräte bekommen könne, aufgebaut. In dieser Gegend sei die Einführung der Biomülltonne nicht geplant, da dort die Eigenkompostierung möglich sei. Bis 1995 sollen aber die restlichen Stadtteile mit Bio-Tonnen versorgt werden.

Komposthaufen auf der Landstraße unterwegs

Ein Komposter für vier bis sechs Haushalte kostet 500 bis 600 Mark, so Stadtbüro-Mitarbeiter Heyden. Auf lange Sicht könne aber Geld gespart werden, wenn dadurch die Biomülltonne der BSR nicht bezahlt werden müsse. Wer eine solche braune Tonne zur Zeit vor der Tür hat, etwa beim BSR-Versuch in Steglitz, braucht dafür allerdings noch nichts zu zahlen. Schließlich sollen die Kosten, die es auf die Kunden umzulegen gilt, erst noch errechnet werden.

Und die hängen auch mit den geplanten zentralen Kompostierungsanlagen zusammen: Zwei Standorte für die neu zu bauenden Anlagen stünden schon fest, nach einem dritten werde noch gesucht, so Schwilling. In ihnen sollen die riesigen Mengen Kompost zu Humus verarbeitet und zum Kauf angeboten werden.

Beim Biomüllversuch 1990/91 habe die BSR sehr gute Erfahrungen gemacht, die Biomülltonne könne entscheidend beim Abbau des Müllberges helfen, so Sabine Tümmler, Pressesprecherin der BSR. Ganz so unkritisch kann Petra Michalke das Ergebnis nicht sehen. Die ehrenamtliche Mitarbeiterin im Verein Müllnetz, Initiative für Müllvermeidung, Entgiftung und Recycling, kritisiert: „Die Abfälle sind bis auf die Deponie Wannsee gekarrt worden“, von Neukölln ein weiter Weg für die Müll-Laster: „Es ist noch keine Verkehrsbilanz aufgestellt worden, die diese Verkehrserzeugung berücksichtigt. Von dem zusätzlichen finanziellen und materiellen Aufwand ganz zu schweigen.“

Große Schwierigkeiten mache es, ein Grundstück für weitere Kompostierungsanlagen zu finden. Es gebe immer wieder Bürgerproteste nach dem Motto „Biomülltonne ja, aber die Kompostieranlage bitte nicht vor meiner Haustür“, so Tümmler.

Ganz sicher ist man sich auch über die Verwendung des entstehenden Kompostes noch nicht. Zwar gelte das Umland Berlins als Lösung, aber erst die Vermarktungsstudie, die im Herbst fertiggestellt werden soll, könne Aufschluß geben. Michalke widerspricht entschieden. „Für diese riesigen Werke gibt es bisher in der BRD noch keine Erfahrungswerte.“ Sie würden außerdem nur für 50 Prozent des zu erwartenden Mülls Kapazitäten bieten, was mit dem Rest geschehe, sei unklar.

Verärgert ist Michalke auch darüber, daß der Verein Müllnetz mit seinen Alternativvorschlägen beim Senat nie ernst genommen, aber dann bei der Aktion Mülltelefon als Ratgeber für den Bereich Kompostierung angegeben werde.

Michalke unterstellt der BSR, daß sie ein Beschäftigungsbetrieb sei. „Die Restmülltonne wird nicht reduziert und die Biomülltonne eingeführt, damit die Fahrer noch eine Beschäftigung haben.“ Die Biomülltonne verdränge so die Eigenkompostierung.

Sabine Tümmler indes versichert, daß „die BSR ein Interesse am Abbau des Müllberges hat, schon um ihn nicht zukünftigen Generationen zu hinterlassen“. Kritische Untertöne jedoch auch aus der BSR selbst. Ein Mitarbeiter: „Politische Gründe zwingen zum Anlagenbau, das Volk schreit danach, also wird ein Haufen Geld hinausgeworfen, ohne die Parameter vorher genau zu kennen. Aber besser als der Müllberg ist das allemal.“ Eva Blank

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