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"Erlaubnis, Geld zu drucken"

■ Der parlamentarische Untersuchungsausschuß zur Treuhandanstalt hat die öffentlichen Anhörungen abgeschlossen. Der Vorsitzende Otto Schily (SPD) zieht eine vorläufige Bilanz

taz: Die Treuhandanstalt hat mit Skandalen für Schlagzeilen gesorgt. Über den Treuhand-Untersuchungsausschuß dagegen ist wenig zu lesen. Wenn nach der Sommerpause der Abschlußbericht veröffenlicht wird, interessiert sich vielleicht gar niemand mehr dafür. Woran liegt das?

Otto Schily: In den neuen Bundesländern findet der Ausschuß einen großen Widerhall. In den westlichen Medien ist das Echo ungleich geringer. Das liegt vielleicht daran, daß sich Journalisten nur für Sensationen interessieren. Wir sind aber keine Skandal-Enquete. Wir prüfen, ob die Fach- und Rechtsaufsicht der Bundesregierung funktioniert hat.

Die Treuhand sieht sich lieber als Unternehmen auf dem freien Markt. Was ist sie denn wirklich?

Wir haben sehr unterschiedliche Antworten auf diese Frage bekommen. Manchmal soll die Treuhand eine bundesunmittelbare Körperschaft öffentlichen Rechts sein, dann wieder ein staatliches Gremium mit unternehmerischem Anstrich; andere sagen, sie gehöre zum Kernbereich der exekutiven Verantwortung, sei also ein Teil der Bundesregierung. Dann hieß es auch, sie sei ein Stück der Identität der DDR, allerdings nur der demokratischen DDR, und besitze, weil sie im Eingungsvertrag verbürgt sei, einen völkerrechtlichen Status. Schon dieses Durcheinander zeigt, daß keine vernünftige Kontrolle möglich ist.

An welchen Maßstäben soll denn nun gemessen werden?

Am Verhältnis von Aufwand und Ertrag. Die Treuhand schließt mit einem Defizit von voraussichtlich 275 Milliarden Mark ab. Die Wahrscheinlichkeit, daß dieser Betrag noch höher sein wird, ist sehr groß. In Zeitungsanzeigen lesen wir, daß dafür 1,5 Millionen Arbeitsplätze geschaffen oder erhalten und Investitionen in bestimmter Größe zugesagt worden seien. Aber die Bilanz hat sich als nicht prüfungsfest erwiesen. Wir mußten feststellen, daß keine der veröffentlichten Zahlen frei von Zweifeln bleibt. Der Finanzchef eines Unternehmens würde unter solchen Umständen sofort entlassen.

Die Treuhand stellt sich am liebsten auf den Standpunkt der Stunde Null. Was der Ausschuß demnach zu untersuchen hätte, wäre ein welthistorisches Ereignis, nämlich der Zusammenbruch einer ganzen Volkswirtschaft.

Niemand bestreitet die Außergewöhnlichkeit der Situation. Wie eine Naturereignis ist sie aber nicht hereingebrochen. Die Frage ist, ob dann die Weichen richtig gestellt wurden. Ich darf Herrn von Brauchitsch zitieren, den Flick- Manager, der heute im Aufsichtsrat der Buna-Chemie sitzt. Er hat mit Bezug auf die Eko-Stahlwerke gesagt, es sei besser, ruhig zu sanieren, statt hektisch zu privatisieren. Wir prüfen die Frage, ob es nicht grundsätzlich nützlicher gewesen wäre, diesem Rat zu folgen, als mit einem Bonussystem schnelle Privatisierungserfolge zu belohnen.

Zuwarten hätte das Defizit noch vergrößert, meint die Treuhand-Direktion. Soll der Ausschuß unternehmerische Entscheidungen bewerten?

Das wollen wir gar nicht. Aber wenn Subventionen fließen, fragen wir, ob es dafür eine vernünftige Grundlage gibt. Wir fragen damit nach den Maßstäben der Bundesregierung. Möglicherweise können wir nichts finden außer der Regel, möglichst schnell zu verkaufen. Das erscheint uns etwas dürftig. Dann fragen wir, wer reich, und wer arm geworden ist, und fragen, wer in verantwortungsvolle Positionen aufsteigen konnte und wer nicht. Zum Beispiel lag für die Werften ein Konzept vor, dessen tragender Gedanke war, daß die dort beschäftigten Menschen aus eigener Kraft wettbewerbsfähige Unternehmen entwickeln könnten. Wenn sich herausstellt, daß solche Vorschläge nicht genügend berücksichtigt wurden, wird das mit Sicherheit zu einer Rüge im Abschlußbericht führen.

Steckt ein ideologisches Vorurteil hinter dem Vorrang der Privatisierung?

Eine gewisse Imprägnierung vielleicht, ein innerer Widerstand gegen die Vorstellung einer Staatsindustrie.

Ganz grundlos ist diese Befürchtung ja nicht. Will der Untersuchungsausschuß Alternativen vorschlagen?

Globale Alternativen gibt es nicht. Nicht mehr. Ich habe den ehemaligen Bundesbankpräsidenten Pöhl nach den volkswirtschaftlichen Folgen der Währungsunion gefragt. Er hat sehr deutlich geantwortet. Nach der Aufwertung der ostdeutschen Währung um mehrere hundert Prozent war die gesamte Industrie der DDR nicht mehr wettbewerbsfähig.

Für diese Erkenntnis wäre kein Untersuchungsausschuß nötig gewesen.

Nein, aber wir können jetzt Orientierungshilfen dafür geben, wie eine ehemalige Planwirtschaft in ein marktwirtschaftliches System eingebaut werden sollte. Betriebsräte haben vor manchen Investoren gewarnt. Man hätte wahrscheinlich die Belegschaften viel stärker in die Vertragsgestaltung einbeziehen müssen. Bei der Privatisierung der Sket ist das jetzt gelungen. Für die Abwicklungen, die noch bevorstehen, können wir raten, früher als bisher kontrollierend einzugreifen. Ein Sparkommissar sollte die Kosten, etwa für Beratungen, überprüfen. Und in den Fällen, in denen nichts mehr zu korrigieren ist, können wir feststellen, wer politisch dafür verantwortlich ist. Fragen stellen sich auch an die Banken. Nach der Währungsunion mußte die Treuhand sehr schnell Geld aufnehmen. Die Banken ließen sich die Kredite zu hundert Prozent staatlich garantieren und haben trotzdem enorme Zinsen verlangt. Von einer Risikoprämie kann da keine Rede mehr sein, das war schlicht eine Erlaubnis, Geld zu drucken.

Die Aufsichtsräte der Banken hätten womöglich mit gewissem Recht gegen zinslose Geldgeschenke protestiert. Sie selbst haben gelegentlich angeregt, ehemalige DDR-Betriebe ohne Umweg über den Kapitalmarkt direkt zu verschenken. An wen denn?

Zweifellos stellen sich schwierige Fragen der Verteilungsgerechtigkeit. Wenn Sie jedoch genau hinschauen, werden Sie auch jetzt unentgeltliche Zuwendungen erkennen, aber versteckte. Dafür stellt sich Ihre Frage erst recht. Haben Westdeutsche oder Ostdeutsche davon profitiert? Der Abschlußbericht wird diese Frage beantworten.

Wird das vor allem ein Dokument für künftige Historiker sein? Oder lassen sich schon heute praktische Schlüsse daraus ziehen?

Wir wollen uns nicht übernehmen. Wirtschaftspolitische Richtlinien können wir nicht formulieren. Vor allem aber wird der Abschlußbericht ein Torso sein. Denn kein Untersuchungsausschuß ist derartig sabotiert und blockiert worden wie dieser. Die Regierung hat mit einer ganzen Palette von Maßnahmen gearbeitet. Für die Akteneinsicht hat man uns eine Regelung aufgezwungen, die datenrechtlich nicht zulässig ist. Protokolle des Treuhand-Verwaltungrates sind uns zum Beispiel nicht zugänglich. Ich habe gar keine Zweifel, daß das Bundesverfassungsgericht der SPD recht geben wird, die dagegen klagt. Ich weiß auch, daß es Stellungnahmen des Innen- und des Justizministeriums gibt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit darlegen, daß die Argumentation der Regierung nicht haltbar ist. Damit grenzt der Verfassungsbruch an Vorsatz. Doch schon wenn Sie die Vorgeschichte der Treuhandanstalt studieren, werden Sie feststellen, daß man die Parlamente möglichst draußen halten wollte. Das ist bis heute so geblieben. Nehmen Sie den Bereich der Abwicklung: Die Koalitionsmehrheit hat nur erlaubt, daß ich dazu gerade zwei Nachmittage lang Zeugen vernehmen durfte. Das ist lachhaft wenig. Trotzdem haben wir einen Erfolg erzielt. Erst nachdem der Untersuchungsausschuß festgestellt hat, welche Summen die Liqudidatoren nach Hause genommen haben, hat die Treuhand ihre Honorarsätze neu geregelt. Fragen: Niklaus Hablützel

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