: „Wir gehen zusammen“
■ Erste Sondierungsgespräche zwischen der SPD und Bündnis 90/ Die Grünen in Sachsen-Anhalt verliefen erfolgreich
Berlin (taz) – Gegen sieben Uhr abends konnten die Spitzengrünen die freudige Nachricht im Foyer des Magdeburger Landtags verkünden: Die SPD, sie ist nicht umgekippt. „Wenn sie jetzt noch mit der CDU ins Bett steigt, wird sie zukünftig aufgesogen werden von der PDS“, orakelte am Donnerstag ein zufriedener Hans-Jochen Tschiche, Fraktionschef der Bündnisgrünen in Sachsen-Anhalt. Das Ergebnis des ersten Sondierungsgesprächs zwischen den zukünftigen Koalitionspartnern: „Wir haben uns erwartungsgemäß entschlossen, zusammenzugehen. Am Mittwoch beginnen die Koalitionsverhandlungen, am 16. Juli werden die Ergebnisse in den Landesparteitagen abgesegnet.
„Dann soll sich die CDU ein neues Volk suchen“
Zuvor jedoch parliert die SPD mit der CDU. Kommenden Samstag sollen die Konservativen in Halle dem „Kurs der Erneuerung“ zustimmen. Die jedoch wollen nach wie vor nur eins: die große Koalition. Ansonsten, so drohen sie, denken sie daran, den Landtag aufzulösen – mit den Stimmen der PDS. Tschiche: „Dann sollen sie sich ein anderes Volk suchen.“
Verzweifelt versuchte Noch- Ministerpräsident Christoph Bergner (CDU) vorgestern, Rudolf Scharping zu erweichen. Doch der SPD-Chef ließ ihn brüsk abfahren. In einer Viertelstunden-Audienz teilte er ihm mit, gar nicht daran zu denken, sich in die Angelegenheiten Sachsen-Anhalts einzumischen.“ Was natürlich nicht stimmt: Noch am Wahlabend herrschter reger Telefonverkehr zwischen Bonn und Magdeburg.
Für einige Verunsicherung sorgte die Äußerung Vera Wollenbergers. Die Bürgerrechtlerin und Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/ Die Grünen plädiert für Neuwahlen. Das sei besser, als sich von der PDS am Nasenring herumführen zu lassen. Dem widerspricht ihr Kollege Gerd Poppe. „Mein Vorschlag für SPD- Spitzenkandidat Höppner: Versuchs mit der PDS.“ Natürlich sieht Poppe, daß dies derzeit für die SPD nicht machbar ist. „Doch ehrlicher wäre es: Dann müßte die PDS über ihre Sprechblasen hinaus was zeigen.“ Moralische Bedenken bei einer Beteiligung der PDS hat der prominente Bürgerrechtler nicht. „Das würde nichts ändern. Die Sache ist nun mal so angestoßen. Und von Neuwahlen würde nur die PDS profitieren.“
Dennoch steht er dem Experiment in Sachsen-Anhalt skeptisch gegenüber. „Die Minderheitenregierung ist naturgemäß schwach. Wenn sie scheitert, liefert sie nur billiges Wahlkampfmaterial für die Gegner, stärkt die PDS und gefährdet das Modell Rot-Grün auf Bundesebene.“ Reinhard Höppner lehnt bislang Gespräche mit der PDS ab. „Von deren Stimmen bin ich nicht abhängig.“ Tschiche, der unter dem SED-Regime in Sachsen-Anhalt jahrelang als Staatsfeind Nummer eins galt, sieht dagegen in der Sacharbeit Berührungspunkte mit der PDS, obgleich nicht vergessen werden darf, daß die PDS „in besonderer Weise für DDR und Unrecht steht“.
PDS: Auf dem Weg zur Volkspartei?
In Sachsen-Anhalt müsse sich die PDS nun entscheiden, ob sie das „Gesamtprojekt Reform in Deutschland gefährden will“. Tschiches Meinung nach ist die PDS im Osten auf dem besten Weg, „eine Volkspartei zu werden“. Selbst der PDS-feindliche Bürgerrechtler Konrad Weiß unterstützt die Idee der Minderheitsregierung, so Tschiche: „Die Zeit der Ideologien ist vorbei, jetzt geht's um pragmatische Lösungen.“ Eine davon soll sein, mit der Partei sympathisierende Personen in Ministerämter zu hieven. Mit solch einer Rahmenpolitik könnte man die Akzeptanz der Minderheitenregierung stärken. Mit dem „vordemokratischen Möbel Runder Tisch“ habe das jedoch nichts zu tun, warnt Tschiche in Richtung Höppner. Dem hatte der Bündnis- Mann in der Vergangenheit immer vorgeworfen, den Runden Tisch verschluckt zu haben. Michaela Schießl
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