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„Die Opposition kann keine Basisarbeit leisten“

■ Interview mit Liu Shicha über die Schwierigkeiten der Demokratiebewegung

Liu Shicha lebt seit 1981 in Deutschland. Er ist Vorsitzender der Vereinigung chinesischer Studenten und Wissenschaftler in Berlin und seit Jahren in der chinesischen Demokratiebewegung im Ausland aktiv.

taz: Werden chinesische Exilanten gegen den Besuch Li Pengs in Deutschland demonstrieren?

Liu Shicha: Das hoffe ich.

Gibt es denn noch eine Exilbewegung?

Wenn Li Peng kommt, werden auch viele Leute protestieren, die sich nicht unbedingt als Dissidenten oder Opposition verstehen. Es gibt ein Potential von Leuten, die sagen, daß man das Massaker nach den Protesten vom Tiananmen nicht einfach hinnehmen kann – und Li Peng ist der Hauptverantwortliche für das Massaker. Er muß irgendwann zur Rechenschaft gezogen werden. Die anderen, zum Beispiel Deng Xiaoping, werden hingegen nicht so unmittelbar mit dem Massaker identifiziert.

Gibt es denn noch organisierte Oppositionsgruppen unter den chinesischen StudentInnen?

Ja, aber die sind längst nicht mehr so aktiv wie die Studentenvereinigung damals. Es gibt noch eine gewisse Struktur, darüber sind noch einige Leute anzusprechen und zu motivieren, die sich sonst an keinen politischen Aktivitäten mehr beteiligen.

Wie viele sind das?

Genau läßt sich das natürlich nicht sagen. In Berlin sind es noch einige Dutzend, in der Bundesrepublik insgesamt vielleicht hundertfünfzig, die gegen Li Peng auf die Straße gehen würden. Viele der StudentInnen, die 1989 in Berlin aktiv waren, sind nicht mehr hier: Sie sind weggegangen, weil das Klima, mit der wachsenden Ausländerfeindlichkeit, in den letzten Jahren immer schlechter wurde. Und viele, die damals studiert haben, arbeiten jetzt und haben nicht mehr soviel Zeit für politische Aktivitäten. Die meisten würden sich auch gar nicht als Dissidenten bezeichnen. Das Wort hat so einen gewissen Beigeschmack. Das hört sich an, als ob man aus politischen Gründen ins Ausland gegangen ist. Das war ja meistens nicht der Fall. Man hat sich im Ausland den Protesten gegen eine bestimmte Politik angeschlossen. Aber eigene klare Standpunkte entwickelt und sich selbst als Dissident gefühlt, als Kämpfer, das haben die allerwenigsten. Wenn es in China wieder losgeht, dann würden sie sich wieder engagieren.

Gibt es denn heute Leute, die Sie heute als Repräsentanten einer chinesischen Demokratiebewegung im Exil bezeichnen würden?

Nein. Das ist das größte Problem. Es gibt ja verschiedene Organisationen von Dissidenten im Ausland. Zum Beispiel die 1980 gegründete Demokratische Vereinigung, „Minlian“, die vor allem in den USA aktiv ist, und die seit 1989 existierende Föderation für ein Demokratisches China, „Minzheng“. Doch die sind durch interne Streitereien so geschwächt, daß sie kaum noch Anziehungskraft haben.

Gibt es also keine Gruppierungen, die darüber debattieren, wie die Wirtschaft Chinas aussehen sollte oder die politische Struktur? Was sie unter Demokratisierung verstehen?

Wenig. Es gibt immer mal wieder kleinere Artikel, die von Leuten geschrieben werden, die vor 1989 in China aktiv waren und jetzt im Exil sind, ehemaligen Beratern des 1989 abgesetzten KP-Chefs Zhao Ziyang zum Beispiel. Doch die finden kaum Verbreitung. An der Basis gibt es keine Debatte. Die Demokratiebewegung im Ausland ist unfähig, eine systematische Analyse der Probleme in China zu leisten.

Woran liegt das?

Die oppositionellen Organisationen sind unfähig, Basisarbeit zu leisten. Sie verstehen es nicht, die Leute zu motivieren. Das haben sie nie gelernt. Die Kommunistische Partei hat das früher gut verstanden. Aber die Opposition hat das nicht getan. In China beginnt sich das zu verändern. Da fängt man an, an den konkreten Problemen in der Gesellschaft anzuknüpfen, bei den Arbeitsbedingungen, Rechten im Betrieb, sozialen Fragen. Aber aus dem Ausland kommt der Anstoß dazu nicht. Interview: Jutta Lietsch

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