Peinliche Leistung

■ betr.: „Was erregt...“, taz vom 18.6.94

[...] Ein Artikel der lesbischen Filmemacherin Monika Treut fällt der Redaktionszensur zum Opfer, weil sich die Autorin erdreistet, auf die Frage „Was erregt Sie am meisten?“ mit der „Beschreibung einer S/M-Orgie“ zu antworten. Warum fragt Ihr sie eigentlich überhaupt, wenn Ihr offene Antworten nicht ertragen könnt? Daß sie aus der lesbischen S/M-Szene kommt, hätte Euch jeder Filmkritiker vorher sagen können.

Sex und Erotik nach der Maßschnur der political correctness? Daß die taz mit dem Phänomen Sadomasochismus böse Probleme hat, ist nicht neu. Aber Ihr merkt nicht einmal mehr, daß Ihr Euch gegenüber S/Mern exakt so verhaltet, wie beispielsweise christliche Fundamentalisten gegenüber Schwulen und Lesben – und das ist in einer solchen Sonderausgabe denn doch schon bitter peinlich...

Das Nürnberger „Radio Z“ verlor Ende '93 fast seine Lizenz, als die „Fliederfunk“-Redaktion es wagte, über Safer-S/M-Praktiken unter Schwulen zu berichten. Sat. 1 bekommt von der „Hamburger Anstalt für neue Medien“ eins auf den Deckel, weil ein Regionalmagazin das Thema S/M ein wenig deutlicher aufgreift. Die „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften“ setzt eine Publikumsillustrierte auf den Index, weil sich das Blatt erdreistet, über S/M zu schreiben. [...] Daß ich eines Tages auch noch die taz in dieser Liste finde, enttäuscht mich schon.

Am Schluß dann doch noch 160 Zeilen über Schwulen-S/M anhand der Hamburger GLSM. Lesben- S/M scheint bei Euch überhaupt nicht gesellschaftsfähig zu sein. (Wenn Ihr wüßtet...) S/M und Ledersex spielen in der Schwulen- Szene eine wesentlich größere Rolle, als Eure Sonderausgabe erahnen läßt. Das wäre unter Lesben wie auch bei den Heteros übrigens nicht anders, wenn unsereins nur annähernd so weit wäre wie die Schwulen, wenn es darum geht, daß sich jeder zu seiner ganz persönlichen sexuellen Identität bekennt und darauf pfeift, was eine links-autonom-alternative Moralmafia uns als politisch korrekte Sexualität vorschreiben möchte. (3,5 bis acht Prozent der Bevölkerung, sagt die Sexualstatistik.) [...] Tom Rohwer, Arbeitsgemeinschaft S/M & Öffentlichkeit,

Redaktion S/M-Depesche