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Verfolgung von Kosovo- Albanern kein Asylgrund

■ Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts

Berlin (taz) – Albaner aus der serbischen Provinz Kosovo werden in ihrer Heimat nicht als Volksgruppe politisch verfolgt. So will es jedenfalls eine Grundsatzentscheidung, die das Bundesverwaltungsgericht gestern verkündete. Die obersten Verwaltungsrichter hoben damit eine Entscheidung des Lüneburger Oberwaltungsgerichts auf, das einer siebenköpfigen Familie Asyl gewährt hatte. Eine Gruppenverfolgung, so die denkwürdige Begründung der Richter, setze voraus, daß die Verfolgungen der albanischen Bevölkerungsmehrheit durch die serbischen Machthaber so zahlreich seien, daß jeder der 1,5 Millionen Albaner im Kosovo davon betroffen wäre. Dieser Nachweis sei jedoch nicht erbracht, sonst könne schließlich die gesamte Bevölkerung in Deutschland Asyl beanspruchen. Auch plane der serbische Staat keine Vertreibung oder gar einen Völkermord an den Albanern.

Vergleicht man das gestrige Urteil des Bundesverwaltungsgerichts mit dem einiger Vorinstanzen, dann gibt es offenbar zwei verschiedene Kosovos. Denn etliche Oberverwaltungsgerichte hatten die politische Lage dort völlig anders eingeschätzt. So entschied etwa der hessische Verwaltungsgerichtshof im März dieses Jahres mit unmißverständlicher Klarheit: „Ethnische Albaner haben im Kosovo allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit mit gegen ihre physische Unversehrtheit und Bewegungsfreiheit gerichteten Maßnahmen der staatlichen Behörden zu rechnen.“ Dabei handele es sich nicht nur „um Exzeßtaten einzelner Amtspersonen“. Die „gezielten Rechtsverletzungen gegen ethnische Albaner haben eine solche Verfolgungsdichte erreicht, daß sich daraus eine bereits aktuell vorliegende Gruppenverfolgung aller ethnischen Albaner im Kosovo ergibt. [...] Jeder ethnische Albaner muß allein wegen seiner Volkszugehörigkeit damit rechnen, von gegen seine Person, seine Freiheit, Gesundheit oder gar sein Leben gerichteten Aktivitäten betroffen zu sein.“

Die gestrige Entscheidung betrifft etliche tausend Flüchtlinge, die in der Bundesrepublik Asyl beantragt haben. Sie wird aber auch Auswirkungen auf diejenigen haben, die bisher als Kriegsflüchtlinge geduldet waren. Vergeblich hatte sich Nordrhein-Westfalens Innenminister Schnoor bisher um einen generellen Abschiebestopp für diese Gruppe bemüht, er war dabei am Veto seiner Länderkollegen gescheitert. Nach dem gestrigen Urteil haben die Berfürworter einer Abschiebung in den Kosovo nun auch noch den juristischen Segen. (AZ: BVerw G 9 C 158.94) Vera Gaserow

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