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Ehemaliger SED-Kader sucht SPD-Ortsverein

■ Die Treptower SPD sträubt sich gegen die Aufnahme des ehemaligen SED-Kaders Uschner / Kreuzberg als Ersatz

Bei den linken SPD-Genossen in Westberlin fühlt sich Manfred Uschner sichtlich wohl. Wo immer das frühere SED-Mitglied in den letzten Monaten auftrat, ob vor Ortsvereinen in Kreuzberg, Zehlendorf oder Reinickendorf, stieß er auf verständnisvolle Zuhörer. „Da sind viele Alt-68er dabei, da fragt keiner, wer ich mal war, sondern wer ich jetzt bin.“ Seit fast einem Jahr versucht der heute 57jährige, der SPD beizutreten. Bislang erfolglos. Der zuständige Ortsverein Alt-Glienicke lehnte vor geraumer Zeit seinen Antrag mit dem Hinweis ab, es sei zum „gegenwärtigen Zeitpunkt“ nicht vorgesehen, ehemalige SED- oder PDS-Mitglieder aufzunehmen.

Mißtrauen erregt Uschners steile Karriere im SED-Apparat. Denn der Ostberliner, heute als ABM-Kraft in dem aus ehemaligen Altkadern gebildeten „Kautsky-Bernstein-Kreis e.V.“ tätig, war bis zum Februar 1989 Referent des Politbüromitglieds Hermann Axen. Als solcher fiel er im selben Monat wegen „Sozialdemokratismus“ in Ungnade, wurde an das Zentralinstitut für Philosophie an der Akademie für Wissenschaften versetzt und kehrte knapp ein Jahr darauf der damaligen SED/PDS den Rücken. Trotz öffentlicher Unterstützung durch SPD-Bundesprominenz, darunter der frühere Ostexperte Egon Bahr, bleibt die Basis im Osten skeptisch. „Der Hauptkritikpunkt ist seine jahrzehntelange Systemnähe“, verteidigte der stellvertretende Kreisvorsitzende von Treptow, Willi Fred Boheim, die Haltung seiner Genossen.

Die Stimmung ist gereizt. Als „regelrechtes Verhör“ hat Uschner jenes Gespräch in Erinnerung, das er im Juni mit dem geschäftsführenden Vorstand des Kreisverbandes Treptow führte. Uschner will mit aller Kraft in die Partei, der bereits seine Eltern angehörten, um „mitzugestalten, denn von Daueropposition halte ich nichts“. Übel aufgenommen wird seine Kritik an Teilen der Ost-SPD. Deren Schwäche bestehe darin, daß politisch „rechtsgläubige Fundis“ wie die Bundestagsabgeordneten Angelika Barbe oder Stephan Hilsberg den Ton angeben. Uschner gegenüber der taz: „Die wollen eine SPD nach dem Motto: Lieber klein, aber rein.“

Die SPD-Landeszentrale hält sich aus satzungsrechtlichen Gründen aus dem Konflikt heraus. Zuständig seien jeweils die Ortsvereine beziehungsweise Kreisverbände, in deren Gebiet ein Antragsteller seinen ersten Wohnsitz habe, heißt es. Zur Frage, ob SED- oder PDS-Mitglieder aufgenommen werden sollten, gebe es „keine Beschlußlage“, so der stellvertretende Landesgeschäftsführer Eckart Springsklee. Die Diskussion über das heikle Thema wird parteiintern gemieden. Ein Vorschlag des Landesvorstandes, für strittige Fälle eine Kommission einzurichten, wurde nie umgesetzt.

24.000 Mitglieder zählt der SPD-Landesverband Berlin, davon 2.500 im Ostteil der Stadt. Auf rund ein Prozent schätzt Springsklee den Anteil früherer SED-Kader. Angesichts dieser Zahlen sei die Debatte um Uschner „akademisch“. Weder werde die SPD durch seine Aufnahme „unterwandert, noch würde ein massenhafter Zulauf von ehemaligen SED-Mitgliedern erfolgen“.

Sollte Uschner im Osten scheitern – zuletzt bot er der SPD in Prenzlauer Berg seine Mitarbeit an und wurde dort nach eigenen Angaben „wohlwollender als in Treptow“ empfangen – blieben ihm als letzte Hoffnung die Genossen im Westen. Kreuzberg hat bereits seine Zustimmung signalisiert. Schließlich habe Uschner schon zu DDR-Zeiten bei den Verhandlungen über das SPD/SED-Papier „nicht unmaßgebliche sozialdemokratische Positionen vertreten“, meint deren Kreisvorsitzender Horst Detert. Um aufgenommen zu werden, müßte Uschner laut Satzung allerdings in den Westen ziehen. Darauf will sich Uschner vorerst nicht einlassen: „Wenn, dann will ich im Osten für die SPD tätig sein.“ Severin Weiland

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