: Der Lover im Goldfischteich
■ „Die berühmten 3 Worte“, ein Chansonprogramm von Oliver Lesky und Jakob Vinje im Jungen Theater
„Ich hab' meinen Lover im Goldfischteich ertränkt“, Oliver Lesky kommt gleich zur Sache, schließlich liegen die Vorteile auf der Hand: „Endlich hört er mir mal zu und jetzt küssen wir uns auch viel länger. Sonst ist alles wie früher.“ Oliver Lesky und Jakob Vinje, der Mann am Klavier, gewähren ihrem Publikum mit dem neuen Chansonprogramm tiefe Einblicke in den Beziehungsclinch der schwulen Liebe. Für die Bühne darf's ein bißchen schriller sein, mit einer Prise Nekrophilie.
Nachdem wir uns jahrelang fragten, ob es wohl eine weibliche Ästhetik gibt, - und es nicht herausgefunden haben - herrschte an einem zumindest nie ein Zweifel: an der Existenz einer schwulen Ästhetik.
Oliver Lesky hat mit „Die berühmten 3 Worte“ ein Programm im Tourneekoffer, das die Stilform des französischen Chansons durch die homosexuelle Formsprache auf's Wirkungsvollste steigert. Da wird die Langhaarmähne kokett zurückgeworfen und blauer Rauch steil in die Luft geblasenen.
Farblich besonders herausstechend, Selbstironie und schwarz-schwärzester Humor. Oliver Lesky, dessen elfenhaft feingliedriges Äußeres ihn eh dazu prädestiniert, inszeniert sich selbst als ewig unverbesserlichen und ziemlich überdrehten romantischen Liebhaber.In der einen Hand das Sektglas, in der anderen die Zigarette, singt er in allen Sprachen der Welt (fast zumindest: Französisch, Englisch und Deutsch) von mißglückten Liebesgeschichten, berichtet von vergeblichen Firts und leidet mit Höchstgenuß am Schmerz des Verlassenwerdens. Dann wird Oliver Lesky bittersüß und melodramatisch, taucht einmal tief ins Gefühlsbad der schattigsten Depression ab, resümiert: „Von manchen Beziehungen bleibt nicht mehr übrig, als die Striemen an den Handgelenken.“ Und zieht sich an den eigenen Haaren mit: „Mein nächsten Selbstbetrug wird besser“ aus dem Sumpf.
Durch die kleinen monströsen Anekdoten, mit denen die größtenteils selbstgeschriebenen und von Jakob Vinje komponierten Lieder verbunden werden, erfährt man auch, wo der erst 25jährige seine Stehaufmännchenqualitäten trainiert hat. „Ich komm von Kindertheater. Morgens um 6 in die Maske, um 9 vor's Publikum. Das waren 500 Kinder in einer Einkaufspassage, unter die ein Idiot schon Luftballons und Coladosen verteilt hatte.“ Hier fiel die Entscheidung. Der Künstler entschloß sich Sänger zu werden. Seitdem er vor 1 1/2 Jahren seine musikalische, bessere Hälfte Jakob Vinje traf, sind die beiden unzertrennlich.
Das Resultat dieser Männerfreundschaft wird auch in gemischt geschlechtlichen Zuhörererkreisen goutiert werden. Denn mit „Die Berühmten 3 Worte“ haben Oliver Lesky und Jakob Vinje ein kleines Kunststück fertig gebracht. Jenseits von Kitsch und Klischee nehmen sie die Alltagskatastrophen des Liebeslebens, die überspannten Gefühlszustände der Verliebten und besonders der Verlassenen so wunderbar ernst und wichtig, daß unser aller ewiges Thema wieder ganz groß wird: die Liebe.
Allerdings, Selbstironie zur eigenen Geschichte und musikalische Qualität helfen ganz entscheidend. Möglicherweise ist der schwule Liebhaber eh prädestiniert, eines der Großthemen der Menschheit für uns alle zu lösen.Da endet auch bei Oliver Lesky manch nächtliche Euphorie entweder mit dem Warten auf den Anruf am Morgen danach oder in der langwährenden Beziehung mit dem Abblocker schlechthin, den berühmten 3 Worten: „Bitte jetzt nicht!“. Darauf die kurzsilbige Reaktion, die berühmten 3 Worte des lebenserfahreren Liebhabers: „Mit mir nicht !“
Susanne Raubold
Am 14., 15. und 16. 7. um jeweils 20 Uhr im Jungen Theater.
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