: Haitis Militärs spielen mit dem Feuer
■ Ausweisung der UNO-Beobachter provoziert international scharfe Reaktionen / USA denken an Militärintervention, schicken aber weiter Flüchtlinge zurück
New York/Berlin (AFP/AP) – Die Ausweisung von 120 internationalen Beobachtern aus Haiti hat weltweite Empörung ausgelöst und die Spekulationen über eine baldige US-Militärintervention in dem Karibikstaat angeschnürt. Die von den Militärs eingesetzte international nicht anerkannte haitianische Regierung hatte am Montag die zivile Beobachtermission der UNO und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) aufgefordert, innerhalb von 48 Stunden das Land zu verlassen, da sie die „staatliche Sicherheit“ gefährdeten. Den Mitarbeitern war erklärt worden, Armee und Polizei würden die Ausreise kontrollieren. Nach Angaben des haitianischen Außenministeriums wurde die Entscheidung zur Ausweisung bereits am 8. Juli getroffen, um „jegliche Zwischenfälle oder Provokationen“ zu vermeiden. Die internationalen Beobachter seien „unerwünscht“. Die Mitarbeiter von UNO und OAS sollten in Haiti die Einhaltung der Menschenrechte überwachen. Am Freitag hatte die Vollversammlung der Vereinten Nationen das Mandat der Mission um ein Jahr verlängert.
Widersprüchliche Angaben gibt es bislang darüber, ob die UNO sich dem Ausreisebefehl beugen wird oder ob die Beobachter im Land bleiben. Ein US-Verantwortlicher, der Clinton auf seiner Deutschlandreise begleitet, sagte am Montag abend, die UNO werde ihre Mitarbeiter „aus Sicherheitsgründen“ aus Haiti abziehen. Der amtierende OAS-Generalsekretär Christopher Thomas teilte jedoch nach einem Treffen mit UN-Generalsekretär Butros Butros Ghali mit, es solle im Laufe des Dienstags entschieden werden, ob sich die Mission dem Ultimatum beugen wird.
Die USA reagierten auf die Ausweisung mit scharfer Kritik. US-Präsident Bill Clinton sagte gestern in Berlin, das Ultimatum bestätige seine Position, die Anwendung von Gewalt nicht auszuschließen. Der nationale Sicherheitsberater der USA, Anthony Lake, nannte die Ausweisung „skandalös“. Die US-Botschafterin bei der UNO, Madeleine Albright, erklärte, das Ultimatum zeige die Notwendigkeit einer „schnellen und entschlossenen Handlung“. Im Verlauf des Tages wollte sich auch der UNO-Sicherheitsrat mit der Lage befassen.
Unterdessen ist der Flüchtlingsstrom aus Haiti in die Vereinigten Staaten etwas zurückgegangen. Wie die amerikanische Küstenwache mitteilte, wurden am Montag nur etwa 250 Haitianer aufgegriffen, während 800 Flüchtlinge nach Haiti zurückgeschickt wurden. In den letzten Wochen hatte die Zahl der Flüchtlinge zeitweise einen Stand von über 1.000 pro Tag erreicht. Auf den britischen Turks- und Caicos-Inseln in der Karibik sollte gestern das erste Auffanglager für asylsuchende Haitianer eröffnet werden.
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