■ RaterInnen verzweifelt – Rätselmacher ratlos: Tellermine statt Goldbuch
Goldgräberland (taz) – Die Stimmung rund um Langenscheidts „Goldwörterbuch“ (Wahrheit 2., 18. und 30.5.) kippt allmählich um: „Der PR-Gag eines Münchner Verlages lähmt jetzt Behörden und Betriebe“, mault der Stern. Eine Aktion „tief aus der Mottenkiste der Werbung“, meint die Welt. „Böses Erwachen, der Schuß geht nach hinten los“, meldet der WDR. Wird der Rate-Marathon nach dem irgendwo vergrabenen „Goldenen Buch“ – pures Gold, 50.000 Mark Materialwert – zum Flop?
Die RaterInnen sind ohnehin völlig genervt: Die besten haben 20 von 22 Aufgaben gelöst, doch hinter jeder Lösung sind neue Finten und Fallen versteckt. Aus Denksport, Knobelspaß und Kombinationslust ist längst mühsamer Arbeitsstreß geworden – und kein Ende abzusehen. Viele steigen aus, andere suchen in ihrer Verzweiflung obskure Helfer: Einer bat jetzt den Bundesnachrichtendienst um Mithilfe beim Codeknacken. Doch die Schlapphüte sind Schlappschwänze: Sie hätten, so Sprecher Dr. Lehberg zur taz, „aus grundsätzlichen Erwägungen Wichtigeres zu tun“, als Privatleuten „bei so was zu helfen“.
Rätselmacher MZ hat es sich mit den Ratern verdorben: Bei seiner wöchentlichen Hotline gibt es Hinweise nur bei Aufgaben, mit denen andere Rater im Rückstand sind. Damit bekommen Späteinsteiger auf dem Tablett serviert, worüber sich andere wochenlang den Kopf zerbrochen haben – das Wettrennen wird künstlich nivelliert, die Goldaktion zur Freude des Verlages verlängert. „Unverschämtheit, völlige Verarschung“, schimpft eine Münchner Raterin. MZ gibt derweil kund, daß die Zahl Armstrongscher Mondschritte immer noch ungelöst ist, der Schatz aber ohne diese Lösung findbar. Warum stellt MZ die Frage dann? Ein Fake? Oder ist seine Quelle geplatzt?
Die Schatzsuche kann sogar lebensgefährlich sein. Eine Familie aus Gummersbach grub im ehemaligen Zonengrenzgebiet und stieß auf eine Tellermine – die zum Glück nicht scharf war. Laut WDR verletzte sich allerdings die erschrockene Oma. Überall wird auf Verdacht gegraben – was Langenscheidt zunehmend peinlich ist. Deshalb schreibt der Verlag jetzt an alle Forstämter und Polizeistationen, um wegen „der überraschenden Rätselwutausbrüche“ vor „vermehrter Buddelei“ zu warnen und zu bitten, ertappte Wühlmäuse nicht gleich einzukerkern.
Langenscheidt ist ohnehin verunsichert. Von den 70.000 gedruckten Goldwörterbüchern blieben die meisten liegen. Keine Ahnung hätten sie gehabt, meint die Pressesprecherin, wie hemmungslos sich MZ bei seinem Aufgabentohuwabohu ausgetobt habe. Dennoch sollen neue Rateopfer angestachelt werden: Der Verlag gibt ungefragt Adressen von Altratern weiter – zum Lösungstauschen.
Einen dicken Fauxpas leistete sich auch Sat.1-Quasselstrippe Margarethe Schreinemakers. In ihrer Sendung durfte Verlagschef Florian Langenscheidt – gegen eine fünfstellige wohltätige Spende – zweimal Werbung für sein goldiges Buch machen. Und weil Fernsehen was zum Sehen ist, mußten Bilder von der Vergrabungsaktion her. „Damit verraten wir ja nichts“, meinte die vorlaute Talkerin forsch. Wie naiv! Bei den Fernsehbildern war eine eigentümliche Gegend zu sehen, die von Anwohnern sogleich identifiziert werden konnte.
Genutzt hat die peinliche Panne bislang niemandem. Doch wehe, die Dorfjugend aus X bekommt Wind davon: Wenn Reichtum winkt, haben Menschen schon anderes gemacht, als zu Hunderten in heimischen Auen mit Metalldetektoren auf Pirsch zu gehen. Bernd Müllender
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