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Soccer mit Skorpionen?

Wieso der Fußball im Todestal nur auf der Glotze rollt  ■ Von Matti Lieske

Death Valley (taz) – Welch ein Glück für Teilnehmer und Publikum der Fußball-WM, daß die Veranstalter dem verlockend boshaften Gedanken widerstanden haben, ein geräumiges Fußballstadion mitten in das Tal des Todes zu setzen.

Berufsmäßige Sadisten, wie beispielsweise die Organisatoren der Tour de France, hätten sich diese Chance gewiß nicht entgehen lassen, denn im Death Valley wäre das Spiel Deutschland–Südkorea oder auch die Partie Schweden– Saudi-Arabien mit Sicherheit noch um einiges amüsanter ausgefallen. Temperaturen um die 45 Grad im Schatten – an guten Tagen entsprechend mehr – ein trockener, sengender Wüstenwind, kein Fitzelchen Schatten weit und breit, dafür als kleine Schikane die ein oder andere Klapperschlange sowie ein paar niedliche Skorpione, die Häßlers Dribblings sicher noch virtuoser, Klinsmanns Schritte noch raumgreifender und Dahlins Kopfballsprünge noch höher hätten geraten lassen.

Doch Fußball wird im Death Valley genausowenig gespielt wie Golf auf dem „Devil's Golf Course“, einer bizarren Formation von spitzen Salz- und Felsgebilden. Dabei ist auf der Furnace Creek Ranch für jene irregeleiteten Geister, die den Rat aller Reiseführer: „Meiden Sie das Tal im Sommer“ in den glühenden Wind geschlagen haben und sich noch dazu sportlich betätigen möchten, prächtig vorgesorgt. Es gibt Volleyball- und Basketballfelder, einen Reitstall, einen Golfplatz, Tennisplätze, Fahrräder und obendrein einen Tanzplatz. Fußballtore aber sind in Furnace Creek, was im übrigen recht sinnig „Feuerofen-Bach“ heißt, nicht aufzufinden.

Das gleiche gilt für die „Death Valley High School“ im Örtchen Shoshone, was aber keineswegs heißt, daß die „Scorpions“, wie die Absolventinnen und Absolventen dieser Schule genannt werden, sportlichen Aktivitäten hitzebedingt abhold sind. Das Gelände birgt zwei wunderbare Basketballfelder, und die Vitrine der High School quillt förmlich über von Trophäen diverser Turniere in dieser Sportart. Im Basketball hat es die Jugend aus dem Tal des Todes zu einigen Meriten gebracht, bis „Soccer“ Eingang in den Lehrplan findet, muß das US-Team wohl noch einige Male den Brasilianern das Fürchten lehren.

Death Valley Junction im letzten Winkel von Kalifornien, wo sich die CA 190 und die US 127 kreuzen und der einzige Radiosender aus Las Vegas in Nevada kommt, besteht aus ein paar schäbigen Gebäuden, einem schmucken Hotelkomplex und – einer Oper. Hier belebt die Tänzerin Marta Becket das „Amargosa Opera House“ seit 27 Jahren allwöchentlich mit ihren legendären Darbietungen – aber natürlich nicht im Juli, wenn Death Valley Junction einer Geisterstadt gleicht und man dem Käfflein keinen einzigen seiner hundert Bewohner ansieht.

„Im Sommer kommen nicht viele Leute hierher“, sagt die etwas vereinsamte Empfangsdame im Amargosa Hotel, „und wer einmal im Sommer kommt, der kommt vermutlich nie wieder.“ Mit dem Soccer World Cup kann sie wenig anfangen, mehr Gäste habe der jedenfalls nicht gebracht.

Auf der Furnace Creek Ranch kann man dank der Segnungen des Satellitenfernsehens sogar den Kabelsender ESPN und damit die meisten WM-Spiele empfangen. Doch das Interesse der Todestal- Touristen ist nicht allzu groß, wie der Barkeeper des mit einem Fernsehgerät ausgestatteten Corkscrew-Saloons festgestellt hat. Sie ziehen, wenn sie schon mal hier sind, den Trip zum Zabriskie-Point oder zum Badwater, mit minus 85 Metern tiefster Punkt der westlichen Hemisphäre, jedem Elfmeterpunkt vor.

Und er selbst schaut sich allemal lieber ein Baseballmatch an, auch wenn er den Triumphzug von Alexi Lalas, Tom Dooley und Konsorten ins Achtelfinale der Fußball-WM mit großer Sympathie verfolgt hat. Er wäre bei einem Soccer-Match in der „Death Bowl“ von Furnace Creek sicher unter den Zuschauern gewesen, und vielleicht auch die Lady aus dem Amargosa Hotel, die die Hitze nach eigenem Bekunden abgöttisch liebt. Nur die Spieler, die wären vermutlich gar nicht erst aus der Kabine gekommen.

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