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Töpfers Experten erwarten kein Erdbeben

Schleswig-Holstein fordert mehr Erdbebensicherheit im AKW Brunsbüttel, die SPD-Bundestagsfraktion auch, aber Hamburgs SPD-Umweltsenator verfolgt eine andere Ausstiegsstrategie  ■  Von H.-J. Tenhagen

Berlin (taz) – Erdbeben sind eigentlich sinnlich erfahrbar. Geht es um Erdbeben in der Vergangenheit, müssen sich Poliktiker und Atomwissenschaftler heute auf die Niederschriften der Zeitgenossen stützen. Das tun sie derzeit, und heizen dabei den Streit um den Weiterbetrieb des AKW Brunsbüttel an.

Der Kieler Energieminister Claus Möller (SPD) verlangt von der Betreibern des seit zwei Jahren stilliegenden AKW Brunsbüttel eine Nachrüstung für etwaige Erdbeben. Ohne solch eine teure Nachrüstung soll das AKW nicht wieder ans Netz dürfen. Gutachter des Kieler Ministeriums hatten kürzlich festgestellt, daß das AKW in unmittelbarer Nähe tiefer Sockelstörungen stehe, an denen Erdbeben zu erwarten seien.

Die Betreiberin, eine Tochter der Hamburger Elektrizitätswerke (HEW) und mehrheitlich im Besitz der sozialdemokratisch regierten Hansestadt Hamburg, bestreitet diese Gefahr und präsentiert eigene Gutachter. Und der Sprecher des Hamburger Umweltsenators und HEW-Aufsichtsrats Fritz Vahrenholt, Kai Fabig, befindet dazu knapp: „Die Kieler verfolgen eine andere Ausstiegsstrategie als Hamburg. Das ist auch ein Streit von Provinz und Metropole.“

Die Bonner SPD-Bundestagsfraktion wiederum hat sich in dieser Frage gestern auf die Seite der Provinz gestellt. Ihr umweltpolitischer Sprecher, Michael Müller, schreibt, die Fraktion unterstütze die Landesregierung in Kiel. „Atomkraftwerke müssen gegen eine bestimmte Intensität von Erschütterungen im Umkreis von 200 Kilometern ausgelegt sein, ohne daß es zu einem Störfall kommt.“ Die AKW in Brokdorf und Krümmel seien für solche Erdbeben ausgelegt, das AKW Brunsbüttel jedoch nicht.

In Bonn schließlich hat am Dienstag die Reaktorsicherheitskommission des Bundesumweltministeriums die Erdbebenexperten der Regierung in Kiel, der HEW und einen Professor Ahorner zum Thema angehört. Danach kam das atomfreundliche Expertengremium zu der Auffassung, ein Erdbeben in der Region Brunsbüttel und damit eine Gefährdung für das AKW sei unwahrscheinlich. Die bestehenden sicherheitstechnischen Bewertungen für das AKW Brunsbüttel hätten im wesentlichen Bestand gehabt. Das Erdbeben von Alfhausen, das vor rund 220 Jahren Kirchtürme zum Einsturz brachte, habe keine Relevanz für die Sicherheit im AKW Brunsbüttel.

Endgültig festlegen wollten sich die Atomexperten aber doch noch nicht. Der mündlichen Einschätzung soll in drei Wochen ein schriftlicher Bericht für Minister Klaus Töpfer (CDU) folgen.

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