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Der „beste Mitarbeiter“ in U-Haft

■ Journalist soll Willy Brandts Ideen an Stasi verpetzt haben

Berlin (taz) – So sehen Helden eigentlich nicht aus. Strähniges Haar, fleckiger Langhaarbart, dunkelbraune Trevirahose, Popeline-Blouson, eine Aldi-Tüte in der Hand. Ein Held versteckt auch nicht sein Gesicht mit einem Pappordner vor zuviel Blitzlicht.

Gerd F. aber war ein Held. Zumindest dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS). Zwanzig Jahre lang. In Stasi-Akten steht immer wieder, wie zuverlässig und vorbildlich und eigeninitiativ er dem MfS zu Dienste stand. Einmal schreibt ein Major Jäckel gar: „Er war unser bester Mitarbeiter.“

Einer der besten Mitarbeiter des MfS sitzt seit Februar in Untersuchungshaft. Gestern wurde vorm 2. Strafsenat des Berliner Kammergerichts der Prozeß gegen den 68 Jahre alten Stasi-Helden eröffnet. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Westberliner vor, von von 1970 bis November 1989 für das MfS als Agent tätig gewesen zu sein. Gerd F. soll, kaum zu glauben, dem MfS en détail die Wahlkampstrategien der SPD und des damaligen Vorsitzenden Willy Brandt in den Jahren 1972 und 1976 zugeflüstert und außerdem mindestens zwei Westberliner Fluchthelfer verpetzt haben – woraufhin diese 1973 in Ostberlin festgenommen und ebenda zu fünf und neun Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurden.

Ferner wird dem Angeklagten vorgeworfen, den Leiter der „Arbeitsgemeinschaft 13. August“ und Direktor des Museums Checkpoint Charlie, Rainer Hildebrandt, sowie zig Friedensinitiativen ausspioniert zu haben. Daß er auf Schriftsteller wie Sarah Kirsch und Jürgen Fuchs angesetzt war, gibt er später selbst zu.

Die nebenberufliche Petztätigkeit des IM „Franz“ honorierte die Stasi mit 70.000 Mark sowie diversen Prämien. Kurz vorm 40. Jahrestag der DDR wollte sie die Zusammenarbeit mit „Franz“ sogar noch verlängern. Lockmittel: der monatliche Verdienst, nach F.s Worten nur eine „Aufwandsentschädigung“, sollte von 350 auf 700 Mark erhöht werden. Bekanntermaßen aber fiel die Mauer.

Hauptberuflich arbeitete F. als Journalist für Test, Süddeutsche Zeitung und Hannoversche Presse, als Pressereferent in Duisburgs Stadtverwaltung und bei Bayer- Leverkusen. F. über F.: „Ich hielt mich für einen begabten Journalisten.“ Der Vorsitzende Richter, Eckehard Dietrich, liest mit sichtlichem Wohlwollen dem Angeklagten daraufhin die Notiz seines damaligen Führungsoffiziers vor: „Schreiben kann er nicht.“

Wegen eines Zufalls und mehrerer St. Pauli-Pornoheftchen lernte F. im Herbst 69 am Müggelsee einen Stasi-Mann kennen. „Der wußte alles von mir“, staunt er noch heute. Ein-, zweimal im Monat traf er sich mit häufig wechselnden Stasi-Typen in konspirativen Wohnungen und lieferte dort brav seine Hausaufgaben ab.

Ganz die personifizierte Unschuld, beteuert Gerd F.: „Wenn die einen erst mal haben, ist es aus. Man kommt da nicht mehr raus.“ Wahrscheinlich aber klebte das MfS an Gerd F. und Gerd F. am MfS, weil zwischen ihnen ideelle Eintracht herrschte. Denn so naiv er auch tut, seine Sicht der Welt lugt aus solchen Sätzen hervor: Die Arbeitsgemeinschaft 13. August sei vom CIA unterwandert gewesen, Castro habe die Kubaner vom „amerikanischen Freudenhaus“ befreit.

Gerd F., der mit einer 30 Jahre jüngeren Thailänderin verheiratet ist, wurde in Bangkok von den Justizbehörden aufgespürt. Der Prozeß wird fortgesetzt. Thorsten Schmitz

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