■ Das Portrait: Letizia Moratti
Die neue Chefsaniererin im RAI Foto: Archiv
So viel Einstimmigkeit hat es bei einer politischen Wahl lange nicht mehr gegeben. Letizia Moratti, 45 Jahre alt, verheiratet und Mutter zweier Kinder, bekam 100 Prozent – der gesamte eben von den Präsidenten des italienischen Senats und des Abgeordnetenhauses ernannte Verwaltungsrat wählte sie zur neuen Intendantin des staatlichen Rundfunks und Fernsehens Radiotelevisione RAI.
Ein Frau, die immer lächelt, gepflegt ist wie ein Mannequin und von einer Kontaktbereitschaft, die in Erstaunen versetzt. Dazu ist sie auf vielerlei Ebenen tätig: sie führt nicht nur den bereits seit drei Generationen bestehenden Versicherungskonzern ihrer Eltern, war stellvertretende Präsidentin der Kommerzbank, leitet eines der erfolgreichsten Büroorganisationsunternehmen Italiens und hat es fertiggebracht, nirgendwo in den Bestechungschroniken aufzutauchen. Darüber hinaus sponsert sie auch noch das europaweit größte Drogenentziehungsheim in San Patrignano bei Rimini; dort verbringt sie ihre Urlaube.
Ihr immenser Reichtum macht sie unabhängig (ihr Mann trägt mit einem Petroleum-Imperium Zusätzliches bei), und das hat sie bislang davor bewahrt, irgendeiner politischen Strömung hörig zu werden: Zwar sagen ihr Mißtrauische starke Nähe zu dem wegen Bestechungseinnahmen in Höhe vieler Millionen angeklagten ehemaligen christdemokratischen Schatzminister Cirino Pomicino nach, doch konnte niemand etwas Strafbares finden.
Hinter vorgehaltener Hand wird gemunkelt, die Frau sei eisenhart – Verhandlungspartner beißen auf Granit, und selbst bei ihren sozialen Einsätzen tritt ab und an eine eisige Kälte zutage. Möglicherweise ist es genau das, was den Verwaltungsrat – der ansonsten nur aus Männern besteht – auf sie zurückgreifen ließ: der Mut zu nicht nur unpopulären, sondern mitunter gar undurchführbar erscheinenden Entscheidungen. Berlusconi will die RAI knallhart „saniert“ haben, mit dem Hintergedanken einer Sanierung seiner eigenen Sender durch abwandernde Werbekunden. Aber auch Gegner des Regierungschefs sind sich darüber im klaren, daß die RAI abspecken muß, ein gutes Drittel des bürokratischen und redaktionellen Wasserkopfes muß weg.
Von Funk und Fernsehen hat Moratti freilich keine Ahnung. Wenn die RAI bei ihrem Rotstifteinsatz draufgehen sollte, werden ihre Auftraggeber keineswegs murren. Werner Raith
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