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Atomstaat geht in die Sommerfrische

■ Der Transport von abgebrannten Brennstäben nach Gorleben ist bis Ende August verschoben

Hannover (taz) – „Ein bißchen stolz sind wir schon“, freut sich der Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg. Niedersachsens Innenminister Gerhard Glogowski (SPD) hatte die gute Nachricht aus rein menschlichem Blickwinkel verkündet: „Ich setze die Polizei doch nicht gegen einen Haufen Schulkinder ein.“ Der erste Castor-Transport nach Gorleben ist bis Ende August ausgesetzt. Das Innenministerium hat in einem Schreiben an die Atomtransportfirma GNS darum gebeten, die Reise des Castor-Behälters zu verschieben. „Wir gehen mit Sicherheit davon aus, daß diesem Wunsch entsprochen wird“, sagte ein Sprecher des Innenministers in Hannover. Man habe sich telefonisch mit der GNS ins Benehmen gesetzt.

Die Landesregierung verweist auf technische Verzögerungen im AKW Philippsburg und den Beginn der Schulferien, die sie zu diesem Schritt bewogen hätten. „Wir haben schon vor Wochen erklärt, daß für uns der 19. Juli der letzte Transporttermin ist“, sagte der Sprecher des Innenministers. Am 21. Juli beginnen in Niedersachsen und Bremen die langen Sommer-Schulferien, in Hamburg und Hessen am 18. Juli, in Mecklenburg-Vorpommern am 14. Juli – bis Ende August hätten deshalb die Polizei Niedersachsens und auch anderer Bundesländer erhebliche Probleme, den Transport zu schützen.

Weil die Beladung des Castor-Behälters noch nicht abgeschlossen sei, könne der vereinbarte Termin nicht eingehalten werden, sagte der Ministeriumssprecher. Tatsächlich gelang es bisher nicht, die in Wasserbecken gekühlten Brennelemente soweit zu trocknen, daß sie in das Castor- Stahlgehäuse eingelagert werden dürfen. Vor dem Transport nach Gorleben sind außerdem etliche Unterlagen (unter anderem Protokolle über die Radioaktivitätsmessungen) durch das niedersächsische Umweltministerium zu prüfen. Wie ein Sprecher des Bundesumweltministeriums gestern zugab, dauern solche Verfahren in der Regel ein bis zwei Wochen.

Niedersachsens Umweltministerin Monika Griefahn hatte ohnehin verkündet, daß sie den Transport nicht genehmigen werde. Innenminister Glogowski lieferte nun eine zusätzliche Begründung nach. In einem Schreiben teilt Griefahn der „Brennelementlager Gorleben GmbH“ (BLG) mit, daß die Polizei die atomrechtlich vorgeschriebene „Sicherheit des Transportes“ nicht mehr gewährleiste. Bundesumweltminister Töpfer ließ gestern verlauten, auch er habe für dieses Argument „Verständnis“. Allerdings gebe es zwischen ihm und Niedersachsens Ministerpräsident Schröder „keine Meinungsunterschiede“ darüber, daß „eine langfristige Zwischenlagerung abgebrannter Brennelemente unumgänglich“ sei.

Recht freizügig legte die Landesregierung offenbar die grundgesetzliche Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit aus. Das Verwaltungsgericht Lüneburg hat gestern das allgemeine Versammlungsverbot für rechtswidrig erklärt, das der Lüchower Kreisdirektor Poggendorf mit Zustimmung des Landesinnenministers für die Umgebung des Atomlagers erlassen hatte. Schon vor der Verkündung des Gerichtsbeschlusses trat die Kreisdirektion den Rückzug an. Sie hob ihren Erlaß gestern mittag auf – „mit sofortiger Wirkung“. Wie geplant findet heute um 13 Uhr eine Demonstration vom Dorf Gedelitz zum Atomlager Gorleben statt. Die BI Lüchow-Dannenberg möchte keineswegs von einer Beruhigung reden. „Nun wird das Hüttendorf Castornix wiedererstehen“, sagt Initiativen-Sprecher Wolfgang Ehmke: „Wir laden alle AKW-Gegner ein, ihre Ferien im Wendland zu verbringen und sich mit uns zusammen auf den Tag X vorzubereiten.“ Jürgen Voges

Kommentar Seite 10

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