: Folklore für Überflieger
■ Neu im Kino: „Rapa Nui“, ein perfekt gestylter Ausflug auf die Osterinseln/ Ein Actionfilm im Ethnolook, bzw. umgekehrt
Die Wunder der Welt hat Hollywood immer gerne getürkt. Von den Palästen Babylons, den Geheimkammern der Pyramiden oder den himmlischen Hängen Shangri – Las werden uns schon seit den Zeiten von D.W. Griffith's exotische Geschichten erzählt, in denen immer am Schluß der Junge sein Mädchen bekommt. So langsam sind alle historischen oder fiktiven Hochkulturen abgefeiert, aber Regisseur Kevin Reynolds und Produzent Kevin Costner haben doch noch unbeackertes Neuland gefunden: die Osterinseln mit ihren Steinskulpturen.
Warum sie die wohl gebaut haben, und wo könnte man in die Geschichte am besten eine barbusige Julia und ihren polynesischen Romeo einbauen? Diese Aufgaben löste Drehbuchauthor Tim Rose, indem er einen mit Actionszenen vollgepackten Designer-Mythos schuf, in dem er nebenbei auch noch die Sünden der modernen Menschen auf die armen Inselbewohner projizierte. Vernichtung der Umwelt, Überbevölkerung, Gier und Dummheit der Herrschenden – oft kommt einem der Film wie das sehr schlichte Lehrstück eines ökologisch Bewegten vor. Aber wichtiger als alle grünen Botschaften sind die Spannungsbögen: Gemäß dem Lehrbuch für Actionfilme gibt es alle zehn Minuten eine spannende Episode, die den Zuschauer mit allen Mitteln an die Leinwand fesseln soll: Der Bau einer Statue, der Streit zweier Rivalen, das Training für einen Wettbewerb: nichts geht ohne Blut, Schweiß und spektakuläre Kameraeinstellungen ab. Und der dramatische Höhepunkt des Films, ein Wettstreit der stärksten Männer der Insel um Vogeleier, entpuppt sich als nichts weiter als das alte Spiel von den zehn kleinen Negerlein. Sie müssen diesen nicht ganz passenden Vergleich schon entschuldigen, aber der ganze Film riecht so streng nach „political correctness“, daß einem die hanebüchenen Dummheiten des alten Hollywoods fast noch lieber sind.
Die offensichtlichen Fehler vermeiden Reynolds und Costner fast schon penetrant: Alle Rollen wurden mit polynesischen Schauspielern besetzt, und die wissenschaftlichen Berater haben so gründlich gearbeitet, daß zumindest dem Laien keine Unstimmigkeiten ins Auge fallen. Aber da, wo die Filmemacher gar nicht damit gerechnet haben, tappen sie dann doch in die Falle: Reynolds hat den Film gedreht und geschnitten wie einen ganz normalen Actionfilm. Und so gibt es Luftaufnahmen von knapp über dem Boden fliegenden Hubschrauberflügen oder blitzschnelle Gegenschnitte , die dem Film einen hochtechnologischen Zuschnitt und Rhythmus verleihen, der alle Sorgfalt bei Ausstattung und Casting zu nichte macht.
Dazu kommt dann noch eine Filmmusik mit dicken Streichern und Synthesizerklängen, die so wirkt, als hätte man dem Komponisten Stewart Copeland garnicht erzählt, daß der Film irgendetwas mit den Osterinseln zu tun hätte. Wenn Hollywood gut türkt, dann nimmt es den Zuschauer auch aus den lächerlichsten Kulissen heraus mit auf eine aufregende Reise. „Rapa Nui“ ist tatsächlich auf den Osterinseln gedreht worden, aber man glaubt diesem Film kaum ein Bild.
Wilfried Hippen tägl. Schauburg und U T Kino
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