piwik no script img

... und Andy fährt das E-Mobil auf Franzens schönem Rasen

Das ist ja, nicht wahr, ein echter Hammer: Mario Basler in der exklusiven taz-Weltelf!? Gemach, gemach, sie werden sinnreich begründet, die Nominierungen  ■ Von man & thöm

Es gehört zu den großen Traditionen dieser Zeitung – die älteren unter den Leserinnen und Lesern werden sich gerne erinnern –, nach der Fußball-WM eine Auswahl der Besten zu präsentieren. So auch heute. Bei der Nominierung der Spieler und anderer Fachkräfte konnte auf nichts und niemandem Rücksicht genommen werden; Kriterien der bürgerlichen Presse und ihrer Lohnschreiber (Tore, Plazierung, Leistungsprinzip ...) fanden selbstredend keine Anwendung.

Die Torwartfrage hat sich von selbst beantwortet. Die grellen Farben des mexikanischen Trikotagendesigners Jorge Campos haben sich unauslöschlich in unsere Netzhaut geätzt. Zwischen die Pfosten kommt der bunte Kolibri, dessen vergleichsweise kleiner Wuchs eine klare Absage an geklonte Gentech-Fußballer bedeutet. Zugleich steht der Offensivdrang des schrillen Pimpfs im Geist seines Vorgängers René Higuita aus der taz-Weltelf 90.

Erste Wahl im Abwehrblock ist der hochgewachsene Paolo Maldini. Der Milanese bezaubert nicht nur durch atemberaubendes Kopfballspiel, sondern durch ebensolche Schönheit. O holder Paolo, welch wild-warme Wonnen würde eine Locke deines dunklen Haupthaars unseren Leserinnen und Lesern spenden!?

Paolos bella figura steht links. Sein Pendant auf der anderen Seite des Feldes heißt Mauro Tassotti. Auf dem einstigen Posten seines rechtsverteidigenden Landsmannes und blutrünstigen Schlächters Claudio „Nero“ Gentile erfüllt er im Sympathen-Ensemble die undankbare Rolle des abgefeimten Bösewichts – ideale Projektionsfläche für Haß und Aggression des Publikums, gewissermaßen unser psychosozialer Blitzableiter. Wir folgen mit dieser Nominierung dem Rat der angesehenen New Yorker „Comparative School of Normal, Neurotic and Psychotic Conditions“.

Der defensive Innenblock wird zum einen bestückt mit der wuchtigen Blackbox Paul McGrath. Das irische Bollwerk paart auf einzigartige Weise würdige Gelassenheit mit der Entdeckung der Langsamkeit. McGrath widerlegt dabei eindrücklich die herrschende Meinung, Fußball sei ein Laufspiel. Im kochenden Hitzekessel der WM agierte der Mann von der grünen (sic!) Insel voll ökologisch, weil energiesparend.

Ihm zur Seite steht Marcia Santos, gleichsam Repräsentant der gesamten brasilianischen Abwehr- Viererbande, die bis zum Finale nur drei (sic!) Tore zuließ. Tassottis Hakennase und McGraths Fassigkeit konterkariert Santos' tänzelnd-filigrane Eleganz der großen Sambaschulen.

Der nächste Name wird im Lager der Lederanalytiker eventuell Widerspruch hervorrufen: Mario Basler. Doch der auf der Ersatzbank extrem ausgeruhte Werderaner, von Berti Vogts mit Herberger-Trick fürs Finale geschont, verkörpert den fälligen Generationenwechsel in der deutschen Rentnerband. Das Mitwirken des Mittelfeld-Azubis ist zugleich als berufliche Fortbildungsmaßnahme anzusehen, weshalb die Aufenthaltskosten für Basler direkt von der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit übernommen werden. Sprachenthusiasten werden sich nicht nur an Baslers Doppelpaßspiel mit dem italienischen Zopfbuddhisten delektieren, sondern auch an der feinen Alliteration Basler - Baggio. Letzterer wird ein waches Auge auf seinen ihm anvertrauten Schützling werfen. Ausbildungsleiter Roberto B. versteht sich wie kein anderer auf den sogenannten Hippopotamus-Fußball: langes blasenloses Abtauchen, jähes Zum-Kentern-Bringen massierter Abwehrreihen und scheinbar gesicherter Schlußresultate. Zudem: „Mehr läßt sich aus einer Frisur einfach nicht herausholen“ (Marcel Reif).

Große Bauchschmerzen verursachte die Aufstellung von Gehorghe Hagi. Seine fußballerische Brillanz steht außer Frage, aber – Hatschi? Hagi? Hadsch? – mit welcher Anrede werden Reporter und erst recht die Mitspieler den rumänischen Ball-Houdini ins Spiel bringen? Eine linguistische Marter, die indessen Hagi selbst wohlgefällig auflöst: Auch ohne jeden Zuruf spielt er punktgenau den richtigen Paß.

Durchaus zögerlich auch die Wahl Hristo Stoitchkovs. Der bulgarische Dauerquengler hat mit seinem Freistoßtor zwar Biancas Gatten decouvriert, doch die egomanisch-exzentrische Nervenstichsäge müßte eigentlich im Sinne einer friedlichen Koexistenz aus jeder Mannschaft verbannt werden. Wir lösen das Problem durch Knebelung mittels Mundhöhlentampon der Marke Rachopax. Der Gefahr von Stoitchkovs Dehydrierung wird durch ein Strohhalmimplantat abgeholfen.

Vorne spielt Romario. Punktum.

Sein Bebeto heißt bei uns Gabriel Batistuta. Langes Fackeln ist dessen Sache nicht. Der Argentinier ist weltweit der einzige Spieler, der schon aufs Tor schießt, bevor die Plastikkugel Kontakt mit seinen Zehen aufgenommen hat. Er ist die fleichgewordene Entschlossenheit. Ästhetisch vollendet sich in ihm die maldinisch-baggioeske Haarkunst-Installation.

Als „Ergänzungsspieler“ (Vogts) haben auf der Bank Platz genommen (Kurzbegründung in Klammern): Aldair (Brasilien); Bebeto (Brasilien, wir-werden- das-Kind-schon-schaukeln); Dennis Bergkamp (flinker Hirsch); Stefan Effenberg (zuviel Harmonie schläfert ein): Jay-Jay Okochea (Hackentrick); Michel Preud'homme (gut); Mauro Silva (Brasilien, so breit wie hoch); Said al Owairan (schönstes WM-Tor).

Betreuung (denn eigentliches Training hat diese Mannschaft nicht mehr nötig) erfährt unsere Auswahl durch den trinkfesten Hobbyangler Jack „Giraffe“ Charlton. Dieses Team muß so viele Siegesfeiern absolvieren, daß nur die längste Kehle der Welt die daraus resultierenden feuchtfröhlichen Orgien halbwegs schadlos bewältigen kann.

Als sein Co-Coach und Gegengewicht zeichnet der Norweger Egil Olsen verantwortlich, der als einziger bekennender Marxist-Leninist des Weltfußballs für die ideologische Festigung der Spieler sorgt – angesichts um sich greifender südländischer Bekreuzigungsrituale mehr als notwendig.

Der Posten des technischen Direktors ist völlig unnötig und wird auf ewig freigehalten für Hans-Hubert Vogts. Wenn ihn die Kopf-ab- Phalanx aus Bild-FAZ-Schwarzwälder Bote-Die Woche zum Rücktritt zwingen sollte – unser soziales Netz fängt ihn gänsefederweich auf.

Nun, der moderne Fußball braucht mehr als Spieler und Betreuer. Als Platzpfleger fungiert daher Franz Beckenbauer (Handicap 7). Die rasenhalmtechnische Ausbildung („Gieß' mer mal“) des gebürtigen Giesingers im Kitzbüheler Golfclub findet hier ihren floralen Höhepunkt.

Die medizinische Abteilung der Weltelf leitet Diego Maradona, der ob seiner breitgestreuten pharmakologisch-toxikologischen Grundkenntisse jederzeit die richtige Nase für das adäquate Mittel der Wahl hat. Bleibt uns noch, den Posten des Piloten auf dem E-Mobil zu besetzen. Den Abtransport der Simulanten zu bewerkstelligen ist Andy Möllers („Meine Lieblingsbeschäftigung: Auto fahren“) Traumjob. An dieser Aufgabe wird der Neu-Dortmunder wachsen und endlich Verantwortung übernehmen. Nie konnte er besser seine Schnelligkeit ausspielen! Urinprobe: Manfred Kriener

Zeugwart: Herr Thömmes

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen