: Theater im Gebetshaus
■ Vom Königreichsaal zum Jugendtheaterhaus: Das Schnürschuh-Theater hat eine neue Bleibe
Es ist schon ein Wunder . Da wütet seit Jahren landauf, landab, die große Seuche des Theatersterbens, und ausgerechnet im Sommermonat Juli gelingt es dem Kinder- und Jungendtheater „Schnürschuh“ in Bremen ein eigenes Haus zu beziehen: das Schnürschuh- Theaterhaus im Buntentorsteinweg 145.
Lange haben die Schnürschuhler gedarbt als Vertriebene. Schließlich wurde ihnen seit Jahrenvom Kulturressort versprochen, in den Räumen des „Kulturzentrums am Fuhrpark“ unterzukommem. Aber dort zog erst die städtische Galerie in den 1. Bauabschnitt, dann vertröstete man sie auf den 2. Bauabschnitt und vor einem halben Jahr wurde schließlich klar, daß dem Schnürschuhtheater auch dieser Raum nicht zur Verfügung steht. „Das kam uns wie Verarschung vor“, erinnert sich Kurt Wobbe an den Schreck von damals. Mittlerweile drängte die Zeit, da im ehemaligen Quartier, dem „Künstlerhaus am Deich“ seit 3 Jahren die Eigenbedarfskündigung lief, weil der Verein das städtische Gebäude in Ateliers umwandeln will.
Das Schnürschuhtheater, als Kinder- und Jugendtheater eh ständig auf der Wanderschaft, entweder in der gesamten Republik oder bei den verschiedensten Spielstätten Bremens zu Gast, sah sich von Obdachlosigkeit bedroht. Man suchte: Unterkunft in einer Notlage und fand – einen Palast. Denn das neue Haus hat für die Künstler ein unwiderstehliches Plus: einen Saal.
„Solch ein Haus gibt es in der ganzen Neustadt nicht mehr“, freuen sich die Theaterleute und schwärmen von dem alten Gebäude und seiner buntbewegten Geschichte, das sie von einem Privatmann zum zivilen Preis von 3.500 Mark mieten konnten. Grundsolide wurde es als Bauernhaus 1835 gebaut, der jetzige Saal war damals eine Tenne. In den 30ern zog das Vergnügen hier ein: erst tanzten die Neustädter Paare hier Walzer und Charleston, dann genossen sie bis in die 60er hinein die Jugendjahre des deutschen Kinos im „Lichtspiele Buntentor“. Nur die Zeugen Jehovas, die bis von kurzem mit ihrem Königreichsaal hier ansässig waren, brachten einen ernsthaften Ton in die heiligen Hallen, den das Schnürschuhtheater mit der Eröffung in der neuen Saison vertreiben will. Ein großes Eröffnungsfest ist geplant und zwei Premieren: ein Jugendstück zum Alkoholismus und ein Kinderstück, das in einer märchenhaften Piratenwelt spiellen wird.
Gleichzeitig soll dann der regelmäßige Spielbetrieb einsetzen, das Haus an drei Tagen der Woche geöffnet sein und auch für andere Theater – dringend notwendig nach der Schließung des Freiraum Theaters – der Spielort werden. “Das soll ein Raum werden, wo Gruppen so günstig wie möglich spielen können. Es leiden doch alle darunter, daß sie an manchen Orten noch zuzahlen müssen, statt etwas zu verdienen.“
Aber bis es soweit ist, muß erstmal renoviert werden. 70.000 Mark sind veranschlagt. Das Dringendste: eine Zuschauertribüne, die mit 16.000 Mark die Sparkasse zur Freude der Theaterleute schon unbürokratisch übernommen hat. Und für den Rest der Kosten, für die höhere Miete – macht man sich beim Schnürschuh-Theater, mit einer Fördersumme von 242.000 Mark ausgestattet, Hoffnung auf weitere Förderung?
„So wie die finanzielle Lage aussieht, können wir nur hoffen, daß das Haus einen Schutzpanzer bildet, der das Damoklesschwert der Kürzungen, die ja mit 3,2 Millionen über uns schweben, abprallen läßt“, hofft Schnürschuhler Reinhard Lippelt. Die Mehrkosten, die durch die neue Miete für das Haus entstehen, hofft man durch eine größere Anzahl von Spieltagen und die Beteiligung anderer Gruppen hereinholen zu können.
Susanne Raubold
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