Detektiv-Wölfe im Schafspelz

■ Kredithaie versuchen mit Geheimdienstmethoden, die Schuldnerberatungsstelle "Neue Armut" auszuspionieren / Hauptinteresse: Klientennamen von Klägern

Die Männer mit den verspiegelten Sonnenbrillen gaben sich geheimnisvoll. Sie seien Mitarbeiter der Detektivagentur „Jäckel“ und wollten den Neuköllner Arbeitskreis „Neue Armut“ e.V. bei seiner Arbeit unterstützen. Ihr besonderes Interesse galt den von der Neuköllner Schuldnerberatungsstelle in die Wege geleiteten Maßnahmen hinsichtlich der Finanzdienst-Agentur Novum GmbH/ J.W. Baumann. Diese hatte, ersten polizeilichen Ermittlungen zufolge, über 4.000 Kreditsuchende aus Berlin und dem Umland mit verschachtelten Firmengeflechten um erhebliche Geldbeträge geprellt. Angesichts der zu erwartenden Kredite hatten gutgläubige Kunden teilweise Vermittlungsprovisionen in fünfstelliger Höhe gezahlt, ohne jemals die zugesagten Kredite erhalten zu haben.

Im Interesse einiger Novum-geschädigter Klienten, so die vorgeblichen Detektive, wolle man mit der „Neuen Armut“ zusammenarbeiten. Einen „Pool“ wolle man ins Leben rufen, um dann gemeinsam mit dem Arbeitskreis und anderen, noch unbekannten Novum-Geschädigten, gegen diese Betrüger vorgehen zu können. Schließlich wisse man, daß der Arbeitskreis im Klientenauftrag zahlreiche Strafanträge wegen betrügerischer Machenschaften gegen die inzwischen aufgelösten Firmen angestrengt habe.

Als Geste des guten Willens legten die beiden Dunkelmänner den Mitarbeitern ein professionell aufbereitetes Papier vor, in dem sie ihre Ermittlungsergebnisse aufgelistet hatten. Unter anderem wußten die angeblichen Detektive zu berichten, daß sich der Drahtzieher der Novum GmbH, Joachim W. Baumann, inzwischen eines unbeschwerten Daseins in Osteuropa erfreue. Bis auf die letzte Behauptung waren sämtliche Ermittlungsergebnisse der Schnüffler den Mitarbeitern des Arbeitskreises längst bekannt.

Stutzig wurden die Neuköllner Schuldenberater allerdings angesichts des konspirativen Gehabes ihrer neuen Anhänger. „Die hatten noch nicht mal einen Firmensitz und mußten erst überlegen, welche Telefonnummer sie angeben sollten“, erinnert sich Sven Gärtner von der „Neuen Armut“. Die Telefonnummer, die sie dann rausrückten, kam den Schuldenberatern bekannt vor. Und nach einem Vergleich mit ihren Unterlagen stellte sich heraus, daß die hinterlassene Nummer mit der einer in Hellersdorf ansässigen Firma namens „Consulting Station“ identisch war.

Diese arbeitete mit der inzwischen in eine andere GmbH übergegangene Novum GmbH/J.W. Baumann zusammen und hatte in deren Auftrag nicht unerheblich an der gemeinsamen Abzocke gutgläubiger Kreditsuchender mitgewirkt. Mit sogenannten Wirtschaftsberatungsverträgen hatte die „Consulting Station“ als Teil des Novum/Baumann-Firmengeflechts vorwiegend mittelständischen Betrieben größere Geldbeträge abgeknöpft – unter Umgehung des Verbraucherschutzgesetzes.

Ganz offensichtlich wollten die dedektivischen Wölfe im Schafspelz wissen, wer von den Geschädigten Anzeige erstattet hatte. Mehr noch. Um richtig arbeiten zu können, so die Schnüffler, benötigten sie 15.000 DM. Dieser Betrag sollte von der „Neuen Armut“ und den Novum-Opfern aufgebracht werden. Die Mitarbeiter der Schuldnerberatungsstelle dachten jedoch nicht daran, Namen preiszugeben. Zum Schein vereinbarten sie mit den suspekten Herren einen Termin, mit der Absicht, das Treffen durch ein Fernsehteam mit versteckter Kamera filmen zu lassen. Doch in subversiver Manier verschoben die Leute von der „Consulting Station“ vereinbarte Treffen oder erschienen unangekündigt Stunden vorher in der Geschäftsstelle der „Neuen Armut“. Inzwischen schlägt die Schuldnerberatungsstelle mit den gleichen Waffen zurück: Sie hat mittlerweile selbst eine Detektei beauftragt, die Informationen über „Consulting Station“ einholt. Peter Lerch