: Aufwendige Entgiftung
Teltowkanal wird von Industrieschlamm befreit, der sich an den DDR-Grenzanlagen verfangen hat ■ Von Hannes Koch
Mit einer aufwendigen Aktion will der Senat von September diesen Jahres an den Teltowkanal von hochgiftigem Schlamm befreien lassen. Die schädlichen Rückstände haben sich zwischen dem Flüßchen Dahme und der ehemaligen DDR-Grenze an der Rudower Chaussee bis zu 50 Zentimeter unter die Wasseroberfläche aufgeschichtet.
Verantwortlich für die Ansammlung von 200.000 Kubikmetern Schlamm in dem 3,4 Kilometer langen Teilstück des Teltowkanals sind die DDR-Grenzbefestigungen zwischen Rudow und Adlershof. Absperrwände im Kanal sollten die „Republikflucht“ von DDR-BürgerInnen in den Westen verhindern. Unterbunden wurde damit gleichzeitig aber auch die Selbstreinigung des Gewässers: Die Strömung im Kanal kam beinahe vollständig zum Stehen, und vor den Sperren sammelten sich über Jahre hinweg Schlamm-Massen, der aus der Dahme in den verschlossenen Wasserweg hineingedrückt wurden.
So hat sich unter der Wasseroberfläche eine giftige Mixtur zusammengebraut: Darunter befinden sich das Schwermetall Cadmium ebenso wie die für Menschen extrem gesundheitsschädlichen polychlorierten Biphenyle. Über die Herkunft des Giftes lassen sich nur Vermutungen anstellen. Nicht unbeteiligt war wohl die Fabrik der Berlin-Chemie, die aber zur Zeit keine Abfälle mehr in den Kanal einleite, wie Hans Schmidt von der Wasseraufsicht der Senatsverwaltung für Umweltschutz versichert. Als weiterer Verursacher kommt ein benachbartes Zementwerk in Betracht. Zudem sammelten sich Giftrückstände sämtlicher Industriebetriebe an, die südlich der Kanalmündung an der Dahme gelegen sind.
Die angehäuften Abfälle aus 30 Jahren Industrieproduktion haben sich inzwischen zu einer Gefährdung für die Bevölkerung entwickelt. Das Wasserwerk Johannisthal mußte bereits 53 seiner insgesamt 140 Brunnen schließen, aus denen 100.000 BerlinerInnen mit Trinkwasser versorgt werden. Giftstoffe waren durch den Kanalboden ins Grundwasser gesickert und schließlich in die Brunnen geschwemmt worden.
Um die Verseuchung des Wassers für die Zukunft auszuschließen, soll der Teltowkanal mit einem neuartigen, technisch sehr aufwendigen Verfahren gereinigt werden. Während der etwa drei Jahre dauernden Entschlammung saugt ein Spezialschiff die Giftmassen vom Kanalboden und transportiert sie durch eine schwimmende Leitung zu der Aufbereitungsanlage, deren Bau an der Stelling-Janitzky-Brücke bereits begonnen hat. Nachdem der Sand und der größte Teil des Wassers entfernt sind, wird der restliche Schlamm in flachen Erdmulden, sogenannten „Biopoldern“, abgelagert.
Weil die Oberfläche mit Schilf bepflanzt und die Giftmasse von den Wurzeln gut belüftet wird, können Bakterien die Schadstoffe auf natürliche Weise innerhalb eines Jahres abbauen. Der Schlamm soll danach als Straßenbaumaterial dienen, Deponierung oder Verbrennung ist überflüssig.
Die kostspielige Aktion beginnt im September, obwohl bislang nicht geklärt ist, wer schließlich die Rechnung von über 20 Millionen Mark bezahlt. Die Bundesregierung verweigert ihre Beteiligung, weil das betreffende Teilstück des Teltowkanals noch nicht den rechtlichen Status einer Bundeswasserstraße hat.
Genau den werde der Kanal aber nach Reinigung und Abbau der Grenzsperren bekommen, weil er dann wieder für Schiffe befahrbar sei, vermutet Lutz Wicke, Staatssekretär der Berliner Umweltverwaltung. Die Folge: Mit einem juristischen Trick hätte die Bundesregierung sämtliche Kosten auf das Land Berlin abgeschoben.
Das jedoch wollten sich Senat und Abgeordnetenhaus nicht bieten lassen und reichten eine Klage gegen den Bund beim Berliner Verwaltungsgericht ein. Staatssekretär Wicke geht optimistisch davon aus, daß sich beide Seiten schließlich in einem Kompromiß auf die Teilung der Kosten verständigen.
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