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Friedenszelt am Jordan

■ Hinter Klarsichtfolie verhandeln Israelis und Jordanier über einen Friedensvertrag

Wadi Arabah (taz) – „In dieser Gegend könnte man einen Traumurlaub machen“, seufzte gestern einer der jordanischen Delegierten bei den israelisch-jordanischen Friedensverhandlungen. „Den Tag könnte man in Aqaba am Strand verbringen und abends nach Eilat gehen, um sich zu vergnügen.“ Dann begann er von den Bars und Diskotheken auf der israelischen Seite des Golfs von Aqaba/Eilat zu schwärmen. „Kannst du dir vorstellen, wie viele Arbeitsplätze uns hier touristische und landwirtschaftliche Einrichtungen bringen könnten?“ schweiften seine Phantasien in ökonomische Richtung.

Doch bisher befindet sich das Wadi Arabah, der Ort, an dem gestern die bilateralen Verhandlungen begannen, in wenig attraktiver Lage: Unmittelbar an der Grenze zwischen Israel und Jordanien, zwei Staaten, die sich offiziell seit 46 Jahren im Kriegszustand befinden. Die Gespräche sind die ersten Friedensverhandlungen seit Beginn des im Oktober 1991 in Madrid eingeläuteten Friedensprozesses, die direkt im Nahen Osten geführt werden. In den Verhandlungen geht es um den Grenzverlauf, Sicherheitsfragen und vor allem die Verteilung der knappen Wasserressourcen.

Der Verhandlungsort in der Wüste am Jordan wurde von beiden Seiten gewählt, weil er auf nicht umstrittenem Territorium liegt. Für die Jordanier hat der Flecken nicht mal einen Namen, auf israelischen Karten heißt er Ein Avron. Fast eine Woche arbeiteten in dem Ödland israelische und jordanische Soldaten, um den Platz verhandlungstauglich zu machen. Sie errichteten Zelte, Telefonanlagen und Toiletten. Um den Ort von beiden Staaten erreichbar zu machen, wurde sogar ein Loch in den Grenzzaun geschnitten. Dafür wurde der gesamte Verhandlungscompound mit Stacheldrahtrollen umzingelt. Englisch, arabisch und hebräisch beschriftete Schilder warnen Besucher vor Minen. Ausschließlich Delegationsmitgliedern ist es gestattet, die Grenze zu überqueren. Sonstige Beteiligte müssen auf „ihrer“ Seite bleiben. Für Journalisten wurden auf beiden Seiten Zelte und jeweils ein Pressezentrum errichtet.

Das in der Mitte des Lagers gelegene Verhandlungszelt ist mit einem breiten gelben Streifen markiert. Die vier Seitenwände des knapp zehn mal zwanzig Meter großen Tagungsortes sind aus transparentem Kunststoff. Durch sie können Journalisten die Vertreter beider Seiten beim Debattieren und Schwitzen beobachten. Denn bei nur mittellmäßig funktionierender Klimaanlage trugen gestern die meisten von ihnen Anzüge und Krawatten. Nur die Militärs in beiden Delegationen hatten einen Kniff gefunden, um dem Wüstenklima gerecht zu werden, ohne das Protokoll zu verletzen. Sie erschienen in leichter Sommeruniform.

Pünktlich um zehn Uhr morgens nahmen gestern die Verhandlungspartner an dem genau auf der Grenzlinie aufgestellten Tisch in der Mitte des Zeltes Platz. Die Israelis saßen so in Israel, die Jordanier in Jordanien. Die „Grenze“ in der Mitte des Tisches war mit weißen und rosa Nelken markiert. In seiner Eröffnungsrede bekräftigte der jordanische Delegationsleiter Fayes Altrawanah Jordaniens Friedenswillen. Sein israelischer Kollege Eliyakim Rubinstein bezeichnete das israelisch-jordanische Verhältnis als „Kernpunkt des Friedens im Nahen Osten“. Beide Redner sprachen von dem Bau einer Autobahn zwischen beiden Staaten, was den Eindruck erweckte, als lägen entsprechende Pläne längst bereit. Anschließend teilten sich die Delegationsmitglieder in drei Arbeitsgruppen auf. Beobachter waren nicht zugelassen. Einzig der Sprecher der jordanischen Delegation, Merwan Al- Muascher, erbarmte sich und trat in der Mittagspause vor die Presse. Die Verhandlungen fänden in „seriöser Atmosphäre“ statt, diktierte er den Journalisten in die Notizblöcke und entschwand wieder hinter die Plastikfolie. Khalil Abied

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