: CDU überzieht Land mit roten Socken
Das neue Wahlkampfthema Sachsen-Anhalt: Mit 200.000 Plakaten will die Union gegen die „neue deutsche Linksfront“ anwettern / Von „Volksfront“ ist nicht mehr die Rede ■ Aus Bonn Hans Monath
Politik paradox: Ausgerechnet die CDU will nun dafür sorgen, daß die vielgeschmähten „roten Socken“ aus den neuen Ländern bundesweit die politische Landschaft bestimmen. Generalsekretär Peter Hintze stellte gestern in Bonn eine Kampagne vor, die mit Hinweis auf die Magdeburger Minderheitsregierung von SPD und Bündnisgrünen den Gegner im Bundestagswahlkampf treffen soll. 200.000 Plakate mit Motiven und Texten gegen die „neue deutsche Linksfront“ (Hintze) werden Unionshelfer in West und Ost kleben. Den Kampfbegriff „Volksfront“ will künftig nur noch die CSU strapazieren.
Die Argumentationslinie der Union ist einfach: Die von der SED-Nachfolgepartei PDS abhängige Minderheitsregierung bringt angeblich nicht nur Schaden für Sachsen-Anhalt. Sie wird zur „Gefahr für ganz Deutschland“ (Hintze) hochstilisiert. Das Versprechen von SPD-Chef Scharping, wonach er bei ähnlicher Konstellation in Bonn nicht Kanzler werde, zweifelt die CDU an.
Zwar knüpfen die CDU-Wahlwerber an jahrzehntelang bewährte Ressentiments an. Die politische Botschaft aber vermitteln die Plakate nicht mit Schockmethoden, sondern diffiziler: Vor sympathisch blauem Grund hält eine grüne Wäscheklammer eine rote Socke an der Leine, eingerahmt wird die Idylle vom Schriftzug „Auf in die Zukunft – aber nicht auf roten Socken“. Das zweite Motiv, ebenfalls in einer Auflage von 100.000, verspricht vor wehender Deutschlandfahne „Zukunft statt Linksfront“.
Während Hintze gestern die SPD-Führung attackierte, die seiner Meinung nach den „Konsens der Demokraten verlassen“ habe, nennen die Plakate den Wahlkampfgegner nicht mit Namen. Die Polarisierungskampagne der CDU werde „raffinierter“ sein als in früheren Wahlkämpfen, hatten erfahrene SPD-Wahlwerber vorausgesagt. Die Union beherzigt somit eine wichtige Wahlkampfregel: Das Kunststück besteht darin, die eigenen Anhänger zu mobilisieren, ohne die des Gegners aufzuschrecken. Diese sollen demotiviert werden, ohne es zu merken.
Befürchtungen prominenter Unionspolitiker aus den neuen Ländern, wonach die Kampagne gegen die „Linksfront“ dort eher Schaden anrichten werde, versuchte Hintze gestern herunterzuspielen: Die Einwände seien ausführlich diskutiert und berücksichtigt worden.
SPD-Geschäftsführer Günter Verheugen gab sich gelassen. Fünf Jahre nach dem Verschwinden des Kommunismus aus Europa sei es wenig erfolgversprechend, einen Wahlkampf auf Feindbilder des Kalten Krieges aufzubauen, sagte er gestern im „Deutschlandfunk“. Als Reaktion auf die Unionskampagne stimmte eine SPD-Sprecherin prompt wieder die Leier von den CDU-Blockflöten an.
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