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"Ich stehe zu meinem Hasch"

■ Berliner Justiz zeigt sich kompromißlos: Nach einer Selbstanzeige wegen Haschischkonsums wandert der Angeklagte Frido S. für drei Jahre in den Knast

Frido S. wird viel Zeit haben, darüber nachzudenken, ob der Kampf sich lohnt: Die kommenden drei Jahre wird der 52jährige Lehrer im Ruhestand hinter Gittern verbringen, weil er mit einer Selbstanzeige bei der Staatsanwaltschaft Berlin dafür gesorgt hatte, daß er wegen der Einfuhr, des Konsums und der Weitergabe von Haschisch vor Gericht gestellt wurde. „Ich stehe zu meinem Haschisch.“ Und zu den Tatvorwürfen: „Oh ja, das ist alles richtig.“

Richter Klaus Peter Jürcke am Amtsgericht Tiergarten machte am Montag nachmittag kurzen Prozeß: Das Gericht habe „wohl verstanden, daß Sie die Freigabe von Haschisch auf Ihre Fahnen geschrieben haben“. Angesichts der Schwere der Tatvorwürfe und im Hinblick auf den Bundesverfassungsgerichtsbeschluß vom April, der gerade nur den „Gelegenheitskonsum“ straffrei lassen wolle, sei an eine Freiheitsstrafe von unter drei Jahren allerdings gar nicht zu denken. Und, mit Blick herab vom Richterstuhl: „Sie haben den für Sie einfachen und offenbar auch lustbringenden Weg des Haschischkonsums gewählt.“

25 Jahre lang hat Frido S. getrunken, zum Schluß anderthalb Flaschen Weinbrand pro Nacht. „Der Alkohol hat mich körperlich ruiniert.“ Seit fünf Jahren ist er trocken. Den Alkohol hat er durch 100 Gramm Haschisch im Monat ersetzt. „Wenn uns Haschisch vom lieben Gott nicht gegeben worden wäre, wäre ich bestimmt rückfällig geworden.“ Für ihn ist Haschisch ein „Medikament, dessen Legalisierung das Leben eines Teils der Süchtigen retten kann“. Nach Jahren der Selbstzerstörung habe das Kiffen ihm geholfen, „auf gesunde Weise mit mir umzugehen, Haschisch ist eine mich sozialisierende Droge“.

Um mit seinem Konsum „wirtschaftlich umzugehen“ – „mein Bruder lagert ja auch den Wein im Keller“ – ist Frido S. von 1991 bis 1993 einmal im Jahr nach Amsterdam gereist und hat dort eingekauft. Mit Mengen zwischen einem und vier Kilo kam er jedes Mal auf dem ihm sicherer erscheinenden Umweg über Frankreich zurück. Einen Teil der Einkaufsware gab er an Freunde ab, die ihm bereits im voraus das Geld gegeben hatten. Auch das wurde ihm vor Gericht zum Verhängnis: Gerade als Lehrer müsse er um die Gefahr von Drogen wissen, dennoch habe er sie bewußt weitergeleitet.

Es sei nicht auszuschließen, daß Frido S. mit der „Umleitung“ vom Alkohol zum Haschisch einen für ihn richtigen Weg gefunden habe, seine Sucht in den Griff zu bekommen, bestätigte auch der als Sachverständige geladene Arzt W. Piecha vor Gericht. Mit dem Haschischkonsum kompensiere der Angeklagte aus einer „haarsträubenden Kindheit“ resultierende depressive Impulse. „Einer spricht mit seinem Partner, der nächste macht einen Waldspaziergang, und ein anderer raucht eben Haschisch.“ Auch für Frido S.' enthusiastischen Kampf um eine Legalisierung weiß er eine Erklärung – „eine Hilfskonstruktion als Medium, sich in seiner Persönlichkeit weiterzuentwickeln“.

Dieses Medium wird ihn nun für eine Weile aus dem Verkehr ziehen. Der Antrag des Verteidigers Wolfgang Ziegler, das Bundesverfassungsgericht prüfen zu lassen, ob jemand bestraft werden dürfe, der Haschisch zum Eigenbedarf erwerbe und einführe, um damit eine Krankheit zu bekämpfen und ein sozial geordnetes Leben zu führen, wurde abgelehnt. Statt dessen verwies Richter Jürcke in seiner Urteilsbegründung darauf, daß der Angeklagte auf „halbem Weg stehengeblieben sei“. Anstatt sich seiner Persönlichkeit voll und ganz zu stellen, habe er zur nächsten Droge gegriffen. Dabei gäbe es doch durchaus Alkoholiker, die ohne Hilfsmittel trocken würden.

Angesichts des für ihn grotesken Urteils will Verteidiger Ziegler, der angesichts des „Sonderfalls“ auf Freispruch plädiert hatte, nun in Berufung gehen. Seiner Ansicht nach sei gerade der verschiedentlich als liberal ausgelegte Bundesverfassungsgerichtsbeschluß kontraproduktiv. Jetzt könnten sich die Richter erst recht darauf zurückziehen, daß lediglich der Besitz geringer Mengen straffrei sei. Das weiß auch der Verurteilte: „Mir hat der Bundesverfassungsgerichtsbeschluß nicht sehr viel gebracht.“ Jeannette Goddar

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