: Polizei soll mehr in Familien einschreiten
■ Gewalt wird immer noch bagatellisiert: Motto: „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich“
Hannover Gewalt in der Familie wird bei der Polizei meist noch immer bagatellisiert und in den privaten Bereich abgeschoben. Diese Ansicht vertrat Inspektionsleiter Jörg-Michael Klös, in Berlin zuständig für Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, bei einer Fachtagung in Hannover.„Das geschieht vielfach nach dem Motto 'Pack schlägt sich, Pack verträgt sich'“, kritisierte er am Mittwoch.
Bei der Veranstaltung informierten sich Polizeibeamte, Sozialarbeiter, Psychologen und Justizangehörige über „Männergewalt in der Familie“. „Wenn Frauen und Kinder geschlagen, terrorisiert und dem Mann ausgeliefert sind, ist die Polizei sehr wohl gefragt“, sagte Jörg-Michael Klös, auch wenn der Entscheidungsspielraum bei der Polizei im Vergleich zu den Bestimmungen in den USA etwa enger sei.
Problematisch findet der leitende Polizeibeamte die unterschiedlich gravierende Bewertung der Delikte im Strafrecht. „Da stimmt doch etwas mit der Gesellschaft nicht, wenn ein leichter Diebstahl bis zu fünf Jahre Gefängnis einbringen kann, eine leichte Körperverletzung dagegen im Höchstfall drei Jahre.“ Der Staat signalisiere damit: Der Schutz des Eigentums werde höher bewertet und besser geschützt als die körperliche Unversehrtheit der Menschen. Allerdings reicht eine Straferhöhung allein nach Ansicht von Klös nicht aus. Die Einstellungen in den Köpfen zu diesen Themen müßten sich ändern.
Großes Interesse rief bei den Tagungs-Teilnehmern ein Modell aus den USA hervor. Das sogenannte „Domestic abuse intervention programe“, kurz Daip, eröffnet der dortigen Polizei andere Möglichkeiten im Umgang mit Gewalt in der Familie. Der Mann wird meistens sofort in Gewahrsam mitgenommen, die Frau dagegen kann im gewohnten Umfeld bleiben.
Unabhängig von einer Anzeige des Opfers gehen die Staatsanwaltschaften in den Vereinigten Staaten bei diesen Delikten von Fällen des öffentlichen Interesses aus und verfolgen den Fall automatisch weiter. Bereits vor einer Verurteilung wegen seiner Gewalttat kann der Täter zur Teilnahme an einem persönlichen Trainingsprogramm veranlaßt werden. Erste Untersuchungen ergaben, daß bei 80 Prozent der Männer keine weiteren Gewalttaten mehr vorkamen.
dpa
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