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Eine Vernehmung wie im Lehrbuch

■ Staatsanwaltschaft: Straffreiheit für vietnamesische Zigarettenhändler wird geprüft

Die Leiter der Staatsanwaltschaft beim Landgericht werden in Kürze darüber befinden, ob den vietnamesischen Zigarettenhändlern, die als Zeugen gegen Polizisten in Betracht kommen, eine pauschale Zusage auf Straffreiheit gemacht werden kann. Das erklärte gestern Justizsprecher Frank Thiel auf Nachfrage der taz. Wie berichtet, kommt die Kripo bei ihren Ermittlungen gegen Polizisten wegen Mißhandlung von vietnamesischen Zigarettenhändlern ohne die Aussagen der Geschädigten nicht weiter. Nach Angaben von Tamara Hentschel, der Vorsitzenden der Beratungsstelle für Vietnamesen, „Reistrommel“, wären 24 geschädigte Vietnamesen sofort zu einer Zeugenvernehmung bereit, wenn diese nicht wegen ihrer eigenen kleinen Straftaten belangt würden und bis zum Abschluß des Hauptverfahrens in Berlin bleiben könnten. „Ohne eine eindeutige Zusage der Staatsanwaltschaft werden wir aber keinem zu einer Aussage raten.“

Bei der Staatsanwaltschaft sind 30 Ermittlungsverfahren gegen Polizisten anhängig. Namentlich ermittelt wurden bislang jedoch nur zwei Beschuldigte. Die „Reistrommel“ ist überzeugt, daß die Ermittlungen wesentlich zügiger vorankämen, wenn sich die Berliner Staatsanwaltschaft den Zeugen gegenüber so verhielte wie die Behörden in Frankfurt/Oder. Wie berichtet, sind dort bereits sieben Polizisten, die Vietnamesen in Bernau geschlagen und getreten haben sollen, ermittelt und aus dem Dienst entfernt worden. Die zuständige Staatsanwältin in Frankfurt/Oder, Kerstin Langen, sagte gestern gegenüber der taz, daß die Mißhandlungsfälle dort „sofort zur Chefsache gemacht wurden und von Anfang an mit hohem Druck ermittelt worden ist“. Sämtliche Zeugenvernehmungen seien in den Räumen von „Reistrommel“ durchgeführt worden, und es sei gelungen, eine sehr vertrauensvolle Gesprächsatmosphäre herzustellen, so Kerstin Langen. Sie selbst habe den Zeugen zum Beispiel deutlich signalisiert, daß es darum gehe, die Polizisten dingfest zu machen und nicht die Zigarettenhändler. Die Zeugen seien auch darüber unterrichtet worden, daß Kleindelikte von Ersttätern in der Regel eingestellt würden. „Aber eine pauschale Zusage auf Straffreiheit konnte ich natürlich nicht abgeben“, betonte Langen. Der Anwalt der „Reistrommel“, Martin Rubbert, der bei den Vernehmungen von Kerstin Langen und der brandenburgischen Kripo zugegen war, sprach von einer „lehrbuchhaften Vernehmung“. Die Mindestvoraussetzung sei, daß es der Staatsanwaltschaft gelinge, bei den Vernehmungen der verängstigten Zeugen eine ähnliche Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen. Plutonia Plarre

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